Du bist das Boese
beließ ihn dort. Ich konnte keine Spur von Unbehagen oder Furcht darin sehen. Eher blitzte so etwas wie Respekt auf.
»Sie halten es also für denkbar, dass sich ein Mitglied meiner Familie mit diesem Mädchen verabredet haben könnte?«
Die Vorstellung von einer unüberwindbaren sozialen Kluft zwischen den Banchi di Aglieno und einer wie Elisa Sordi schwang da wieder mit.
»Nicht unbedingt. Vielleicht war es ja nur eine zufällige Begegnung. Es sei denn, sie waren mit Ihnen beim Minister.«
Der Conte lächelte. »Nein, der Minister ist zwar oft unser Gast, aber in diesem Fall handelte es sich um ein Arbeitstreffen. Meine Frau Ulla habe ich in der Innenstadt abgesetzt, in der Nähe des Ministeriums. In der Gegend sind die Geschäfte auch sonntags geöffnet, und sie wollte ein wenig bummeln. Für den Heimweg hat sie ein Taxi genommen.«
»Und Ihr Sohn?«
»Manfredi war mit dem Motorrad unterwegs. Er wollte zum Training. Sein Fitnessclub gehört zu den wenigen, die am Sonntagnachmittag geöffnet haben. Er kam ein paar Minuten nach mir nach Hause, vor dem Finale.«
Nun näherten wir uns dem kritischen Punkt. »Wir müssten dann auch noch mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn sprechen«, sagte ich.
Es folgte ein ausgedehntes Schweigen. Ich hatte den Eindruck, dass der Conte das Für und Wider abwog. Wenn er seinen Angehörigen das Verhör ersparte, bedeutete das Schwierigkeiten für den Minister, dem der Vatikan im Nacken saß, und das wiederum würde auch ihn teuer zu stehen kommen. Das war die Sache nicht wert, entschied er.
»Meinetwegen, aber ich warne Sie. Diese ganze Angelegenheit hat meine Frau sehr mitgenommen, und wie Sie vielleicht wissen, hat mein Sohn Manfredi mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Mit ihm muss man ohnehin behutsam umgehen.«
»Sicher, Signor Conte, das ist doch selbstverständlich«, erklärte Teodori dankbar. »Wir werden uns ebenso kurz fassen wie mit Ihnen.«
»Ich begleite Sie nach oben, sie sind beide zu Hause.«
Das Penthouse war ebenso riesig und düster. Dunkles Parkett, schwere Vorhänge, Antiquitäten. Ein langer Korridor mündete in zwei ineinander übergehende Salons. Die Wände des ersten waren mit Gobelins geschmückt, die Gefechte in italienischen Kolonien darstellten. Daneben hingen Jagdtrophäen aus Afrika und Südamerika. Der zweite Salon schien ein Museum für Möbel des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu sein, die sich mit modernen schwarzen Ledersofas abwechselten. Mir fiel auf, dass es weder Spiegel noch andere reflektierende Oberflächen gab. Der Conte ließ uns in einem dritten Salon Platz nehmen, während der Privatsekretär seine Frau benachrichtigte.
Ulla kam sofort, als hätte sie uns schon erwartet. Sie trug einen eleganten Jogginganzug. Das zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebundene Haar ließ sie jünger aussehen, aber die zarten Falten um ihren Mund und unter ihren wunderschönen grünblauen Augen verrieten, dass sie die dreißig überschritten hatte und dass ihr Leben nicht immer stressfrei verlief. Unsere kurze Begegnung am Swimmingpool erwähnte sie nicht, als wir uns einander vorstellten.
Viel konnte sie nicht sagen. Am Sonntagmorgen war sie früh zur Messe gegangen. Mir entging nicht, dass der Conte das Gesicht zu einer abschätzigen Miene verzog. Um elf war sie wieder zu Hause gewesen und hatte gesehen, dass Elisa, dieses hübsche Mädchen, das ihr hin und wieder über den Weg gelaufen war, mit Gina Giansanti geplaudert hatte und anschließend ins Büro gegangen war.
»Danach habe ich das Haus den ganzen Tag nicht mehr verlassen. Ich war müde und habe mich etwas ausgeruht, weil wir für das Endspiel Gäste eingeladen hatten. Als mein Mann gegen halb sechs nach Hause kam, gab ich der Köchin die letzten Anweisungen und bin noch einmal mit ihm losgefahren, um ein bisschen spazieren zu gehen. Er hat mich am Anfang der Via del Corso abgesetzt, da war es wohl halb sieben oder etwas später.«
»Haben Sie das Mädchen auf Ihrem Spaziergang in der Stadt zufällig getroffen?«, fragte Teodori.
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Und haben Sie etwas gekauft?«, wollte ich wissen.
Sie sah mich erstaunt an, als müsste sie darüber erst nachdenken. »Nein, nichts. Auf der Piazza Venezia habe ich ein Taxi genommen und bin gegen Viertel nach acht hier angekommen, wenige Minuten nach meinem Mann.«
»War Manfredi da schon wieder zu Hause?«, fragte ich.
»Manfredi kam gleich danach, so um zwanzig nach acht. Wenn er trainieren geht, bleibt er
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