Du bist das Boese
den Dienstwagen stehen zu lassen. Es regnete immer noch, und in Rom herrschte Land unter.
Es war kurz nach halb zehn. Um diese Zeit erwachte die Stadt erst richtig zum Leben: Ladenbesitzer, die ihre Rollgitter hochzogen, Horden von Angestellten, die spät dran waren oder die ihre Stechkarte schon gestempelt hatten und in die Bar an der Ecke gingen, Taschenträger und Laufburschen der Politik. Massen von Bussen, Taxis, Dienstwagen und Privatautos mit Sondergenehmigung für die Altstadt, also halb Rom, verstopften die Gegend um das Innenministerium. Und alle hupten wild herum, als würde sich der Stau durch den Höllenlärm auflösen.
Er ging zur U-Bahn-Station an der Via Cavour. Der verdreckte Waggon war fast leer. Bei der Ankunft sah er, wie zwei farbige Einwanderer lachend über das Drehkreuz sprangen und die Rolltreppe hinunterrannten, während ein Kontrolleur ihnen ein »Bastarde!« nachrief. Und dann, an einen Kollegen gewandt: »Scheißneger …«
Als er aus der U-Bahn emporkam, hatte sein Palm wieder Empfang und meldete zwei Nachrichten von Corvu. Eine erste mit den Personalien der Rumänen, die er suchte, und ein paar Informationen über sie. Die zweite mit einer Adresse und einer Uhrzeit: » L.N. – Sant’Agnese in Agone 15 Uhr.«
Den Rest des Weges legte er im Bus zurück. Hier kam man wenigstens vom Fleck, nicht wie in den Gässchen im Zentrum. Dafür stank es bestialisch. Einen Tag nach Weihnachten war die Müllabfuhr in den Streik getreten, und während in der Innenstadt eine private Reinigungsfirma einsprang, damit die Touristen das Elend nicht sahen, ergoss sich in der Peripherie der Inhalt der Müllcontainer über Gehwege und Straßen.
Balistreri stieg aus und sah zwei Penner, die in alten Kartons von Panettoni und Pandori nach essbaren Resten suchten. Als er an ihnen vorbeiging, roch er ihren Gestank nach Pisse und Alkohol. Einer der beiden lallte ihn an.
»Gib mir ’ne Kippe, Chef.«
Balistreri reichte ihm eine Zigarette. Umso besser, dann würde er eben eine weniger rauchen.
Das Billardcafé befand sich im Erdgeschoss einer heruntergekommenen Mietskaserne. Die Scheibe in der Eingangstür war zersprungen, und die himmelblaue Leuchtreklame brannte, obwohl es Vormittag war. Nur das »B« war durchgeschmort. Hinter dem Tresen stand ein hübscher junger Mann, schlank, perfekt geschnittenes Gesicht und Zöpfchen. Zwei Philippiner spielten an den Geldspielautomaten.
Balistreri bestellte einen Kaffee. Der Barmann bereitete ihn zu und servierte ihn mit einem Stückchen Schokolade. An der Tür zur Toilette stand »Defekt«, wie in fast allen Bars in Rom. Nur dass sie es hier mit Filzstift gleich auf das Holz geschrieben hatten, was die Sache endgültig machte. Daneben befand sich eine zweite verschlossene Tür. »Billardsaal« stand darüber.
Ein untersetzter junger Mann mit rasiertem Schädel kam herein. Dreitagebart und langer schwarzer Ledermantel.
»Nimmst du ein Bier, Greg?«, fragte der Barmann freundlich. Südosteuropäischer Akzent. Greg nickte, lehnte sich an die Theke und zündete sich direkt unter dem »Rauchen verboten«-Schild eine Zigarette an. Die beiden Philippiner an den Automaten taten es ihm sofort nach. »Hier wird nicht geraucht, sofort ausmachen!«, herrschte Greg sie an.
Die Philippiner traten ihre Zigaretten auf dem Fußboden aus und spielten weiter. »Hebt gefälligst eure Kippen auf und schmeißt sie nach draußen, ihr seid hier nicht zu Hause«, drohte er.
Der jüngere der beiden Philippiner drehte sich zornig um, aber der andere hielt ihn zurück. Sie nahmen ihre Kippen und gingen.
»Diese Gelben sind scheiße, lass die nicht mehr rein, Rudi«, sagte Greg zum Barmann. Dann nahm er sein Bier, rülpste, verschwand im Billardsaal und zog die Tür hinter sich zu.
»Woher kommst du?«, fragte Balistreri den Barmann.
»Albanien, Signore«, antwortete der.
Balistreri zeigte ihm seinen Dienstausweis von der Polizei, nicht den von der Sondereinheit.
»Ich möchte gern mit den Cousins Lacatus sprechen.«
»Nur Greg ist da.«
»Und wo ist Gregs Cousin?«
»Mircea ist heute Morgen weggefahren.«
»Ich dachte, ich würde ihn hier antreffen.« Balistreri täuschte Verwunderung vor. »Wann ist er denn weg?«
»Er war tatsächlich da, zusammen mit Signor Hagi. Aber vor einer halben Stunde ist er dann mit dem Auto weg. Und Signor Hagi hat sich auf den Weg zu seinem Reisebürogemacht, Marius-Travel.«
»Was für ein Auto hat Mircea?«
Der Junge überlegte. »Ich weiß
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