Du bist das Boese
die Iordanescu überrascht war, ihn dort in Uniform anzutreffen. Immerhin hatte sie ihn wenige Tage zuvor vor einem Nachtclub kennengelernt. In Zivil.«
Der Anwalt sprang von seinem Stuhl auf und mahnte Colajacono: »Kein weiteres Wort.« Dann wandte er sich an Balistreri: »Die freiwillige Aussage endet hier. Wenn Sie weitere Fragen haben, wissen Sie, was Sie tun müssen.«
Colajacono wuchtete sein enormes Gewicht hoch und baute sich vor Balistreri auf, den er nur knapp überragte. Dann fixierte er ihn mit unverblümter Verachtung.
»Na, was ist, nehmen Sie mich jetzt fest, oder kann ich gehen?« Sein Atem stank nach Knoblauch und Whisky.
Balistreri zündete seine Zigarette an. Die Sache war damit erledigt. Was ihn viel mehr beschäftigte als Colajacono, war die italienische Zeitung, von der Mastroianni berichtet hatte. Diese Symbolsprache kannte er nur zu gut. Obwohl er sich noch weigerte, es zu glauben.
Als Junge hatte der Zwerg im Lager des NATO -Stützpunkts in Neapel gearbeitet und dort ein wenig Amerikanisch gelernt. Dass er nun dem Zeugen, der vor dem Bella Blu den Streit zwischen dem Türsteher Camarà und dem Motorradfahrer beobachtet hatte, ein paar Fragen stellen sollte, betrachtete er als freundliche Würdigung seiner Sprachkompetenz. Zudem wechselte er von rumänischen Nutten zu einem jungen amerikanischen Akademiker, der für einen internationalen Konzern tätig war. Eine Kategorie, zu der nach Coppolas Weltbild nur höhere Wesen zählten.
Am Vormittag tummelte sich in der Bar an der Piazza di Spagna das Völkchen der müßigen, wohlhabenden Römer. Der Nordwind hatte den Himmel blank geputzt, und er strahlte nun in einem kräftigen Blau. Bis zur Piazza del Popolo, auf der sich die Touristen drängten, konnte man sehen.
Sie setzten sich draußen unter einen Heizpilz, der für eine behagliche Temperatur sorgte. Fred Cabot war ein sympathisch aussehender Mann um die dreißig. Der Zwerg versicherte ihm unverzüglich, dass er seine Muttersprache spreche.
»I speak American«, verkündete er.
Cabot bestellte einen Saft, der Zwerg einen Cappuccino und ein Maritozzo mit Sahne.
»Rome is wonderful, I come from Houston, very modern city. One of your churches is older than all our buildings together. Sehr alte Kirchen, ja?«
Coppola musste feststellen, dass er wegen des gedehnten texanischen Akzents und seiner mangelnden Sprachpraxis nur die Hälfte dessen verstand, was Cabot erzählte. Er beschränkte sich auf das Wichtigste.
»First time in Rome?«
»Yeah, first time.«
Wenn er übermäßigen Stress vermeiden wollte, musste er gleich auf den Punkt kommen. Er zog einen Zettel hervor, auf dem er sich mithilfe des Wörterbuchs seine Fragen notiert hatte. Derweil hatte ein eleganter Kellner ihre Bestellung serviert.
»Please tell me about the night of 23 december.«
»Well, you know, it was late. I had been in various night clubs and frankly I was drunk, betrunken, ja? I wanted one last drink and some music.«
»And some girls?«, hakte der Zwerg augenzwinkernd nach. Der Amerikaner lachte. »Yeah, but drink first.«
»What time you arrive Bella Blu?«
»I think it was two o’clock, maybe a little later. This black guy was in front of the door, he had to check me for security. He was just starting when this motorcycle stopped in the middle of the street and the rider yelled, gebrüllt, and drove away, weggefahren.«
»What he say? What language?«
»I don’t really know. Certainly was Italian or Spanish, gebrüllt this bad word: Arsch in Gesicht?«
»Arschgesicht«, half der Zwerg.
»Yeah, certainly something rude, schlimmes Wort. The black guy was angry, wütend, gebrüllt: ›Wichser!‹«, erklärte Cabot, stolz auf seine sprachlichen Fortschritte.
»Where motorcycle come?«
»Well, I’m not sure, nicht sicher, but my impression is that it was just around the corner. Gehört engine starting, and it came out of the darkness, aus Dunkelheit.«
»You see the person?«, fragte Coppola hoffnungsvoll. Cabot dachte nach. »The guy wore a helmet. You know, it’s queer …«
Der Zwerg war überfordert und hob die Hand, um ihn zu unterbrechen, denn er hatte überhaupt nichts verstanden. Er holte ein kleines Taschenwörterbuch hervor, suchte hastig das Wort whore und musste verwundert feststellen, dass es Prostituierte hieß. Eine Prostituierte mit helmet , also Helm. Und er meinte sich zu erinnern, dass queer so viel hieß wie Schwuchtel. Ein ganz schönes Schlamassel, auf dem Motorrad
Weitere Kostenlose Bücher