Du bist die pure Sinnlichkeit
leblos zu Boden gefallen. „Er hat mich heute nicht angeschrien”, murmelte Kelsey ärgerlich.
„Ich verstehe. Also bist du heute Kelsey Weber.” Alexa fuhr mit den Übungen fort.
„So war doch der Name, oder?”
„Ja. Aua!” Das Mädchen schrie laut auf. „Das tut weh!”
„Dein Muskel zieht sich zusammen”, erklärte Alexa und setzte die Massage des Fußes fort. Kelsey wimmerte erneut.
„Ich weiß, daß es weh tut, aber das ist ein gutes Zeichen.” Alexas Augen leuchteten vor Aufregung. „Ein sehr gutes Zeichen. Es bedeutet, die Schwellung ist zurückgegangen, und der Druck auf die Nervenbahnen, die für diese Muskeln verantwortlich sind, läßt nach. Verstehst du, was das bedeutet?”
„Nein”, rief Kelsey aufgeregt. Alexas Begeisterung war ansteckend.
„Aber es ist etwas Gutes, nicht wahr?”
„Etwas sehr, sehr Gutes. Kannst du dies fühlen?” Alexa kniff ihren großen Zeh.
Kelseys Augen weiteten sich. „Ich kann es fühlen! Es tut nicht weh, aber ich spüre es!”
„Es fühlt sich mehr wie ein Druck an, nicht?” meinte Alexa. „Jetzt schließe die Augen und sage mir, ob du fühlen kannst, wo ich dich kneife.”
Kelsey schloß fest die Augen, und Alexa kniff sie in die Fußsohle, den Rist, den Knöchel, die Wade und ins Knie. Kelsey schrie jedesmal
„Ja” und lokalisierte eindeutig die Stellen. Sie versuchten es an dem anderen Bein mit ähnlichen Resultaten.
„Das ist ja wunderbar. Es bedeutet, daß das Gefühl zurückkommt, und dies wiederum ist ein gutes Zeichen dafür, daß du dich bald wieder ganz normal bewegen kannst.” Alexa umarmte sie spontan.
„Wir werden extra hart arbeiten müssen, aber das ist es wert, Liebes.”
Kelsey erwiderte die Umarmung. „Ich konnte überhaupt nichts fühlen, aber jetzt kann ich. Bald kann ich meine Beine wieder bewegen, und dann werde ich laufen.” In ihren schokoladenbraunen Augen standen Tränen.
„Ich hasse es, gelähmt zu sein, Alexa.”
Auch Alexas Augen füllten sich mit Tränen. „Ich weiß, Schätzchen.”
Kurz nach Mittag brachte Alexa Kelsey zu Gloria, lehnte dankend die Einladung ab, ihnen beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten und verließ rasch das Haus, um zu ihrem Wagen zu gelangen. Sie redete sich ein, daß sie dies natürlich nicht tat, um vor einer weiteren Begegnung mit Ryan davonzulaufen. Schließlich hatte sie es nicht nötig, sich vor ihm zu verstecken. Doch als er wie aus dem Nichts plötzlich neben ihr war, klopfte ihr Herz so wild, als wäre sie gerade bei einer verbotenen. Handlung ertappt worden.
Die Sonne schien hell durch die roten, orangen und goldenen Blätter der Bäume und warf einen warmen Schein auf Ryans Jeans und seine Denim-Jacke.
Alexa zog die Aufschläge ihrer blauen Wolljacke fest zu, womit sie sich eher gegen Ryans Nähe als gegen die Kälte schützen wollte.
„Kelsey hat heute morgen Fortschritte gemacht”, sagte sie schnell, ehe er sprechen konnte. „Ich gebe dir Ende der Woche einen detaillieren Bericht, aber ich kann dir jetzt schon sagen, daß die Dinge sich sehr vielversprechend entwickeln.”
Der kalte Wind blies ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Ryan nahm sie zwischen die Finger und strich sie zärtlich hinter ihr Ohr. Alexa erbebte.
„Ich wollte dir nur danken”, erklärte er leise. „Dafür, daß du trotz des Durcheinanders heute morgen bei Kelsey geblieben bist.”
„Das gehört zu meinem Job”, erwiderte sie leichthin. „Ich habe schon schlimmere Tumulte erlebt.”
„Und mußt du auch oft mit so schlechtgelaunten, verwöhnten Bälgern wie Kelsey arbeiten?”
Sie sah ihn erstaunt an. Erst kürzlich hatte er sie heftig dafür angegriffen, daß sie Kelsey verwöhnt genannt hatte. Und nun sagte er dasselbe und noch Schlimmeres über seine geliebte Tochter.
„Kelsey ist intelligent, ehrgeizig und kann sehr süß sein”, meinte sie diplomatisch, da sie das Gefühl hatte, ihre junge Patientin verteidigen zu müssen. Doch eine Portion Realität war ebenso erforderlich. „Wie auch immer, sie hat einige Probleme, die nicht allein auf die Verletzungen durch den Unfall zurückzuführen sind.”
„Ich weiß. Das begreife ich auch allmählich.” Ryan seufzte entmutigt. „Im Grunde war mir schon länger klar, wie jähzornig und berechnend Kelsey ist, doch weigerte ich mich, es zuzugeben, weil ich mir dann eingestehen müßte, als Vater einige entscheidende Fehler gemacht zu haben. Nach der Erfahrung mit meinem Vater wollte ich für sie ein perfekter Dad sein.
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