Du bist in meiner Hand
nun schon das Unmögliche von ihm verlangt? Ahalya. Priya. Julia. Und nun auch noch Natalia. Glaubten sie wirklich daran, dass er es schaffen konnte? Oder lag es nur daran, dass er als Einziger verrückt genug war, es zu versuchen? Was auch immer ihre Beweggründe sein mochten, er wusste inzwischen, dass die Aufgabe seine Fähigkeiten weit überstieg. Schon seine Reise nach Paris war im Grunde ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, aber in Amerika erwartete ihn ein riesiges schwarzes Loch. Um Sita von dort zurückzuholen, brauchte er mehr als seine Intuition und die Hilfe von Freunden.
Dafür brauchte es ein Wunder.
26
Durch deinen ausgedehnten Handel warst du erfüllt
von Gewalttat, in Sünde bist du gefallen.
DAS BUCH EZECHIEL
Elizabeth – New Jersey
Nach Sitas Fluchtversuch achtete Alexi persönlich darauf, dass sie immer in ihrem Zimmer eingesperrt blieb. Wenn der Club schloss, sah er jedes Mal nach ihr und sicherte die Tür, wenn er ging. Am späten Vormittag kam er wieder und brachte ihr ein paar Bissen zu essen. Dabei sprach er nie mit ihr, und sie wandte den Blick ab.
Im Lauf der Zeit verdüsterte sich Sitas Stimmung immer mehr. Sie hörte mit ihren Gedicht- und Wortspielen auf, malte sich nicht mehr aus, wie es wäre, Ahalya an ihrer Seite zu haben, und stellte auch all die anderen Träumereien ein. Stattdessen starrte sie den Großteil des Tages an die Wand und sann über die unerklärliche Natur ihres Karmas nach.
Eines Abends kam Alexi sie holen, bevor der Club aufmachte. Plötzlich stand er im Türrahmen und sagte nur ein einziges Wort: »Komm!«
Sita stand auf und folgte ihm hinaus auf den Gang. Er führte sie durch die Garderobe – die nun hell erleuchtet, aber leer war – und von dort in den dahinterliegenden Loungebereich. Ein blonder, mit einer eleganten Hose und einem dunklen Blazer bekleideter Mann saß auf einem Clubsessel und sah sich ein Pferderennen an, das gerade im Fern sehen lief. Er nickte Alexi zu und bedeutete dann Sita, sich vor ihn hinzustellen. Ihr fiel auf, dass er sich um eine deutliche Aussprache bemühte, aber dennoch einen leichten Akzent hatte.
»Sie ist schön«, erklärte er, während er Sita mit seinen stechend blauen Augen von Kopf bis Fuß musterte, »und sehr jung. Kompliment an deinen Bruder, er hat da wirklich einen guten Kauf getätigt.«
»Wasily hat schon gewusst, dass sie dir gefallen würde«, gab Alexi zurück.
Der Mann umrundete Sita und strich dabei mit den Fingerspitzen über ihren Nacken. Anschließend blieb er vor ihr stehen und lächelte schmallippig. »Ihre Hautfarbe ist dunkel genug, um exotisch zu wirken, aber doch nicht zu dunkel. Das hat eine sehr verführerische Wirkung. Sie wird einen hohen Preis erzielen.«
Sita drehte sich der Magen um, und gleichzeitig bekam sie weiche Knie. Diese Männer sprachen über sie wie über ein Tier auf dem Viehmarkt.
»Ich zahle dir zwanzigtausend für sie«, verkündete der Mann.
Alexi gab sich spröde. »Sie ist vierzig wert. Für weniger gebe ich sie nicht her.«
Während sie über den Preis verhandelten, schloss Sita die Augen. Ein weiteres Geschäft stand kurz vor dem Abschluss. Der Fremde war das nächste Glied in der Kette ihres Schicksals.
Man einigte sich auf dreißigtausend Dollar. Der blonde Mann bezahlte mit einem Umschlag voller Bargeld und verschwand dann durch die Tür, die in den Club führte.
Die beiden folgenden Nächte verliefen relativ ruhig. Obwohl Sita ein paarmal mitbekam, wie Igor draußen auf dem Gang die Mädchen anknurrte, hielt er sich von dem Raum fern. Ihre Isolation wurde nur durch Alexis kurze Besuche unterbrochen. Allmählich fragte sie sich, ob sie bei dem Handel in der Lounge etwas missverstanden hatte. Vielleicht hatte der blonde Mann Alexi ja für ihren ursprünglichen Kauf bezahlt. Doch das erklärte weder ihre Anwesenheit im Club noch Alexis heftige Reaktion auf Igors Annäherungsversuche. Igor hatte gesagt, Alexi spare sie für Dietrich auf. Wer um alles in der Welt war dieser Dietrich?
Eine vorläufige Antwort auf ihre Frage bekam sie am Dienstag in Gestalt eines Schwarzen mit einer dunklen Sonnenbrille und einer dicken Goldkette um den Hals.
»Dieses Baby hier soll nach Harrisburg?«, fragte er, als Alexi ihm die Tür zu Sitas Zimmer aufhielt.
»Genau«, antwortete Alexi. »Die anderen bringst du nach Philadelphia.«
»Ja, zur Techniker-Tagung. Manuel hat mir schon Bescheid gesagt.« Er warf einen verdrossenen Blick zu Sita hinüber. »Bereit,
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