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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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viele auf der Welt.«
    Thomas fand den Kommentar alles andere als geistreich und spürte einen Anflug von Verärgerung. Er warf einen Blick zum Krankenwagen hinüber, wo die Mutter des Mädchens gerade wegen ihrer Aufschürfungen an den Handgelenken behandelt wurde.
    »Was ist hier abgelaufen?«, fragte er. »Es waren mehrere Entführer, und sie haben das Ganze am helllichten Tag durchgezogen. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass die Sache von langer Hand geplant war.«
    Der Detective verschränkte die Arme. »Dazu kann ich noch nichts sagen.«
    »Sie wollen mir doch wohl nicht weismachen, dass wir es hier mit einem ganz gewöhnlichen Verbrechen zu tun haben? Wir sind hier in North Carolina, nicht in Mexico City.«
    Die Miene des Detective verfinsterte sich. »Sie werden von mir weder zu hören bekommen, dass es ein übliches Verbrechen war, noch, dass es keins war.« Sein Ton wurde etwas sanfter. »Hören Sie, falls das für Sie ein Trost ist: Es werden eine Menge guter Leute an dem Fall arbeiten. Vielleicht schaltet sich sogar das FBI ein. Wir werden tun, was wir können.«
    »Das bezweifle ich gar nicht. Aber werden Sie das Mädchen finden?«
    Der Detective richtete den Blick auf den Wald und schien für einen Moment innerlich mit sich zu ringen. »Ich möchte Sie nicht anlügen. Statistisch gesehen stehen unsere Chancen nicht allzu gut.«
    Thomas holte tief Luft. Er dankte dem Detective, der ihm seine Visitenkarte hinhielt.
    »Rufen Sie mich an, wenn Ihnen zu der Sache noch etwas einfällt«, sagte der Detective. »Und sorgen Sie dafür, dass wir Sie jederzeit erreichen können. Wir haben vielleicht noch ein paar Fragen an Sie.«
    Thomas nickte. Während er zu seinem Wagen zurückkehrte, hörte er im Geiste erneut die Worte der Mutter: Abby ist alles, was ich habe. Ich kann sie unmöglich verlieren. Er versuchte, die Verzweiflung der Frau abzuschütteln, aber sie ließ ihn nicht los.
    Auf der ganzen restlichen Strecke nach Washington fühlte er sich wie betäubt. Vor seinem geistigen Auge sah er immer wieder die Entführung ablaufen. Wäre er doch nur schneller gerannt und sofort in den Wagen gesprungen, statt vorher die Notrufnummer zu wählen. Den Anruf hätte er genauso gut während der Fahrt machen können. Was die Entführer mit dem Mädchen wohl vorhatten? Würden sie ein Lösegeld verlangen, oder führten sie womöglich noch Schlimmeres im Schilde?
    Ein paar Minuten vor sechs erreichte er den District of Columbia. Er fuhr ein Stück den Potomac River entlang und dann über die Brücke nach Georgetown hinein. Direkt vor seinem Haus fand er einen Parkplatz und trug seine Sporttasche in die Diele. Noch immer hatte er sich nicht an die Stille im Haus gewöhnt, seit Priya drei Wochen zuvor ausgezogen war. Er schaltete ein paar Lampen an und ging dann hinauf ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Nachdem er in eine frische Hose und einen Pulli geschlüpft war, betrachtete er sich im Spiegel und entdeckte die dunklen Ringe um seine Augen. Seine Mutter würde sagen, dass er nicht auf sich achte – und damit durchaus richtigliegen. Die Fahrt in den alten Stadtkern von Alexandria nahm er nur als eine Abfolge verschwommener Lichter wahr. Nachdem er auf der Zufahrt zum bescheidenen, im Tudor-Stil gebauten Haus seiner Eltern geparkt hatte, blieb er noch eine Weile im Wagen sitzen. Schließlich stieg er aus, ging die Haustreppe hinauf und hielt an der Tür erneut einen Augenblick inne. Von drinnen begrüßte ihn die gedämpfte Stimme Gene Autrys. Der alte Schnulzensänger säuselte von Santa Claus. Für einen Moment kam Thomas sich vor wie in einem Traum. Ein Jahr zuvor hatten er und Priya händchenhaltend auf dieser Treppe gestanden. Zwischen ihnen hatte nicht immer eitel Sonnenschein geherrscht, aber Priya war schwanger und freute sich auf das Kind, und er war mit seinem Leben zufrieden. Als aufsteigender Stern bei Clayton & Swift verteidigte er die Firma Wharton Coal in einem Fall, der für seine Karriere ausschlaggebend sein konnte. Finanziell ging es ihnen auch gut. Warum nur war danach alles so schrecklich schief gelaufen?
    Er klopfte zweimal, bevor er eintrat. Mit Schürze und schweißglänzendem Gesicht eilte Elena Clarke von der Hitze des Herds hinaus in die Diele, um ihren Sohn zu begrüßen. Als sie sah, dass er allein war, wurden ihre Augen schmal. Für einen Moment standen sich die beiden schweigend gegenüber, weil keiner den ersten Schritt tun wollte. Schließlich

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