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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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überhaupt die Chance, sie wiederzufinden?
    Irgendwann in den frühen Morgenstunden ergab Thomas sich schließlich in sein Schicksal. Statt weiter nervös auf und ab zu tigern, steuerte er langsam auf die Treppe zu – getrieben von einer Zielstrebigkeit, die er selbst noch kaum verstand. An den Computer zurückgekehrt, versandte er zwei Mails.
    An Andrew schrieb er: Vereinbare einen Termin für mich. Ich kann jederzeit.
    Und an Max Junger: Ich habe beschlossen, Ihren Rat zu befolgen. Ich erwäge, nach Indien zu gehen, um für CASE zu arbeiten. Ich hoffe, Mark Blake und Wharton sind zufrieden.
    Kurz darauf betrat er das Schlafzimmer und betrachtete Tera, die auf Priyas Seite des Bettes schlief. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, und ihr Haar hing ihr ins Gesicht. Das war das letzte Mal, entschied er. Sie konnte nichts dafür, ganz im Gegenteil, sie war sehr lieb zu ihm gewesen. Aber die ganze Scharade währte nun schon zu lange. Er würde es ihr am Morgen sagen. Sie würde wütend sein, aber bald darüber hinwegkommen. Er war bereit, einen neuen Weg einzuschlagen. In Indien. Im Kampf gegen die moderne Sklaverei. Vielleicht würde er dort auch seine Frau wiedersehen.
    Wie um alles in der Welt sollte er das nur seinem Vater erklären?

5
    Dunkelheit, schwarz und trügerisch,
ist über mich gekommen. O Morgendämmerung,
verbanne sie wie eine Schuld.
    RIGVEDA
    Mumbai – Indien
    In den ersten Tagen in Suchirs Bordell bekamen die beiden Schwestern nur selten Besuch. Sumeera sah hin und wieder nach ihnen und brachte ihnen ihr Essen. Obwohl Ahalya ihr nur Hassgefühle entgegenbringen wollte, fiel es ihr doch schwer, denn Sumeera sprach freundlich mit ihnen und behandelte sie, als wären sie ihre Töchter.
    Eines Morgens brachte sie einen Arzt mit, der die Mädchen untersuchen sollte. Anfangs weigerte sich Ahalya, aber Sumeera behauptete, die Untersuchung sei reine Routine, alle jungen Frauen in Bombay müssten sich ihr unterziehen. Ahalya dachte an Suchir und gab schließlich ihr Einverständnis, um seinen Zorn nicht herauszufordern. Als Sita sah, dass ihre Schwester kapitulierte, folgte sie schnell ihrem Beispiel, obwohl ihr deutlich anzumerken war, wie peinlich und schmerzhaft sie die Untersuchung fand.
    Nachdem die Mädchen das Stochern und Tasten über sich hatten ergehen lassen, sprach Sumeera leise mit dem Arzt.
    »Ihr seid beide gesund«, erklärte sie anschließend, wobei sie zufrieden die Hände verschränkte, »und da wir wollen, dass das so bleibt, habt ihr in Zukunft einmal pro Monat einen Termin bei dem Arzt. Seid nett zu ihm.«
    Wenn Sumeera nicht da war, suchten die Schwestern das Dachzimmer immer wieder nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Es war mehr oder weniger quadratisch, etwa vier Meter auf drei Meter fünfzig. Fenster hatte es keine, nur zwei kleine Luken zum Lüften. Die einzige Tür war von außen abgesperrt. Dahinter befand sich das Treppenhaus, dessen einziger Ausgang die verborgene Tür hinter dem Bücherregal war. Ahalya zweifelte nicht daran, dass sich die Geheimtür nur von der anderen Seite öffnen ließ.
    Nachdem sie wieder einmal vergeblich gesucht hatten, sank Ahalya neben ihrer Schwester zu Boden und streichelte ihr übers Haar.
    »Es muss einen Weg nach draußen geben«, meinte sie.
    »Aber wo könnten wir hin?«, flüsterte Sita. »Wir sind doch fremd in Bombay.«
    Darauf wusste Ahalya auch keine Antwort. Jede Nacht lag sie wach und lauschte den Geräuschen, die zu ihnen nach oben drangen. Die schlimmen Dinge, die sie sich ausmalte, raubten ihr den Schlaf. Ständig musste sie an die Mädchen und ihre Besucher denken. Sie war zwar noch Jungfrau, aber keineswegs naiv. Ihr war klar, wie Sex funktionierte. Sie wusste, was Männer von Frauen wollten. Trotzdem begriff sie nicht, wieso ein Mann den Wunsch haben sollte, eine Prostituierte – eine Beshya – für Sex zu bezahlen.
    Während die Tage dahinkrochen, fragte sich Ahalya allmählich, ob Suchir sie jemals holen würde. Mittlerweile war Freitag, seit ihrer Ankunft waren drei Tage vergangen, doch man hatte noch keinen Mann zu ihnen hinaufgebracht. Ahalya konnte sich das nur damit erklären, dass der Bordellbesitzer etwas Besonderes mit ihnen vorhatte. Die Vorstellung machte ihr Angst. Manchmal, wenn sie durch die Bodendielen Suchirs Stimme hörte, wurde ihr schwarz vor Augen. Dann half nur noch, sich flach auf den Rücken zu legen, bis das Schwindelgefühl vorüberging. Sita machte sich ihretwegen große Sorgen, doch Ahalya behauptete, die

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