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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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gelähmt daneben. Im harten Licht der Strahler, die etwas von einer Bühnenbeleuchtung hatten, geriet sie vor Panik fast außer sich. Das Herz hämmerte ihr in der Brust, und ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken. In ihrer Vorstellung war Shankar kein Mann, sondern ein Geist, ein Wesen aus der Unterwelt – ein Ghul, der gar nicht in der Lage war, sie zu entjungfern. Gleichzeitig war ihr klar, dass sie sich mit dieser albernen Illusion nur selbst narrte. Er war ein Mann wie jeder andere.
    Als sie Suchirs Anweisung bezüglich Sita hörte, blickte sie entsetzt auf, brachte jedoch kein Wort heraus. Mit dem letzten Rest von innerem Widerstand hatte sich auch ihre Angst verflüchtigt. Sie würde Shankar gestatten, sie zu nehmen, damit Sita lernte, sich zu fügen. Denn wie Ahalya inzwischen wusste, bedeutete Widerstand Schmerz, und Schmerz machte das Elend ihrer Existenz nur noch schlimmer. Ab dieser Nacht wäre sie eine Awara , eine Gefallene.
    »Sag, bist du bereit?«, fragte Sumeera sie.
    Ahalya nickte. Sie ließ sich von Shankar an der Hand nehmen und auf den Gang hinausführen, brachte es allerdings nicht fertig, Sita dabei anzusehen. Während Shankar sie die Treppe hinaufzog, dachte sie an ihren Vater. Er hatte ihr immer gesagt, wie stark sie sei und wie viele Begabungen sie besitze, dass sie nach den Sternen greifen und alles werden könne, was sie wollte. Eine schöne Illusion, die nun ein jähes Ende gefunden hatte. Während Sumeera die Kissen aufschüttelte und eine Kerze anzündete, wanderten Ahalyas Gedanken zu ihrer Mutter. Mit ihrer sanften, würdevollen Art war Ambini ihren Töchtern ein Vorbild gewesen. Nun aber waren ihre Eltern tot, übrig geblieben war nur jooth ki duniya , eine Welt aus Lügen.
    Sumeera ließ sie mit Shankar allein und schloss die Tür. Zitternd fixierte Ahalya einen Punkt auf dem Boden. Sie schaffte es einfach nicht, den Mann anzusehen, der sie gekauft hatte. Er trat auf sie zu und hob ihr Kinn, bis sie nicht mehr anders konnte, als ihm in die Augen zu sehen. Während er sich die Hose aufknöpfte, lächelte er sie an.
    »Heute ist deine Hochzeitsnacht«, erklärte er, ehe er sie aufs Bett stieß.
    Sita, die mit anhören musste, wie ihrer Schwester Gewalt angetan wurde, saß weinend draußen im dunklen Treppenhaus. Mit ihren fünfzehn Jahren wusste sie noch wenig über fleischliche Begierde, begriff aber durchaus, was Vergewaltigung bedeutete. Als Shankars lustvolles Stöhnen schließlich ein Ende hatte, hörte sie, wie ihre Schwester zu weinen begann. Einen Moment später tauchte Shankar in der Tür auf und schob sich an Sita vorbei. Sein Blick wirkte glasig, seine Kleidung unordentlich. Er sagte kein Wort, sondern verschwand einfach.
    Sita schlich ins Zimmer. Ihre Schwester lag in einem Durcheinander aus zerknitterter Bettwäsche auf der Matratze, ihr Churidar als Häufchen auf dem Boden. Die Flamme der Kerze warf Schatten an die Wände. Ahalya hielt die Augen geschlossen, ihre Stirn fühlte sich heiß an. Sita drückte ihr einen Kuss auf die Wange und kniete sich neben das Bett. Bald erschien Sumeera und führte Ahalya hinüber zur Kom mode, wo sie sie wusch und ihr ein locker fallendes Nachthemd überzog. Dann brachte sie sie zurück zum Bett.
    Sumeera sprach beruhigend auf Ahalya ein. »Was du gerade erlebt hast, ist hart. Da ist es nur natürlich, dass du dich schämst. Beim ersten Mal geht das allen so. Aber du wirst überleben. Im Lauf der Zeit wirst du dich damit abfinden.«
    Mit diesen Worten ließ sie die Mädchen allein.
    Sita kroch ins Bett und nahm Ahalya in den Arm. Bisher war ihre Schwester immer ihre Festung gewesen, ihre Beschützerin. Selbst in den einsamsten Nächten in St. Mary’s war es Ahalya stets gelungen, sie zu trösten. Nun war es an Sita, zu trösten und zu beschützen. Leise stimmte sie eine Melodie an, die ihre Mutter ihnen immer vorgesungen hatte. Sie kannte das Lied auswendig und sang es mit der Inbrunst eines Gebets.
    Als Ahalya am Neujahrstag erwachte, fühlte sie sich wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln. Mit Sita sprach sie nur das Nötigste, ihr Frühstück nahm sie schweigend zu sich. Auch Sumeeras Besuche nahm sie wortlos zur Kenntnis. Während draußen auf der Straße die Händler ihre Waren anpriesen und die Beshyas unten ihre Hausarbeiten erledigten, lag sie den ganzen Tag auf dem Bett und starrte ins Leere. Hin und wieder drehte sie sich um, setzte sich aber nur ganz selten auf.
    Ihre Umgebung nahm sie nur noch vage wahr. Einzig

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