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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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Vergewaltigung. Ahalya begriff, dass er für das, was er für sie empfand, keine andere Ausdrucksform kannte.
    Als sie ans Fußende des Bettes trat, stellte sie beruhigt fest, dass ihre Schwester noch schlief. Ahalya wusste, dass Sitas Unschuld ein sehr zerbrechliches Gut war. Bisher hatte sie noch kein Mann geschändet, doch das war nur eine Frage der Zeit.
    Prasad beugte sich dicht an ihr Ohr und flüsterte: »Das bleibt unser Geheimnis. Erzähl ja niemandem davon!«
    Ahalyas Nicken galt mehr ihr selbst als ihrem Vergewaltiger. Während sie zurück unter die Decke kroch, beobachtete sie, wie Prasad leise aus dem Raum schlich und die Tür hinter sich zuzog. Sie lauschte den Geräuschen, die von der Straße hereindrangen. Inzwischen klangen sie wieder lauter. Ahalya hörte eine Rikscha hupen und einen Bus vorbeirumpeln. Die Stadt erwachte bereits. Bald würde der Morgen anbrechen.
    Und mit ihm ein weiterer Tag.
    In der nächsten Nacht holte Prasad sie erneut, und auch in der Nacht danach, während die übrigen Beshyas schliefen. Tagsüber hielt Ahalya sich an den Ablauf, den sie und Sita sich angewöhnt hatten. Sie blutete ein wenig, aber nicht allzu schlimm, sodass es ihr gelang, ihre Verletzungen vor ihrer Schwester zu verbergen. Innerlich aber fühlte sie sich ganz leer. Wenn sie Sita Geschichten erzählte, klang ihre Stimme oft ausdruckslos, und sie musste sich zwingen, hin und wieder zu lächeln. Auch beim Gestalten von Jayas Kolam-Mustern fehlte ihr jeglicher Antrieb. Selbst als Sita sie mit einem Scherz ihrer Mutter aufzuheitern versuchte, konnte sie nicht lachen.
    Sumeera fiel wohl auf, wie traurig Ahalya wirkte, denn eines Abends, nachdem sie ihnen ihr Essen hingestellt hatte, ließ sie sich neben den Mädchen auf dem Boden nieder und erzählte ihnen von einer Religionsstunde, die sie als Kind von einem reisenden Brahmanen erteilt bekommen hatte und die im Adda zu ihrem Rettungsanker geworden war.
    »Unser Feind heißt Sehnsucht«, erklärte sie ihnen. »Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach der Zukunft, nach Liebe, nach einer Familie. Wonach auch immer. Eine Beshya muss sich von alledem verabschieden und ihr Karma annehmen. Ihr werdet hier nie glücklich werden, aber es ist auch nicht nötig, dass ihr traurig seid.«
    Als Sita an diesem Abend einschlief, betrachtete Ahalya sie mit einer Spur von Neid. Ihre kleine Schwester wirkte so heiter wie die Engel in den Buntglasfenstern ihrer Klosterschule. Als könnte nichts ihren Frieden stören. Ahalya ließ sich auf ihr Kissen sinken und starrte zur Decke hinauf. Sie wusste genau, was die Nacht noch bringen würde, und dieses Wissen ließ sie nicht schlafen. Ihr war klar, dass er immer wieder kommen würde.
    Während die Nacht allmählich in die frühen Morgenstunden überging, verstummten die Geräusche im Bordell nach und nach. Ahalya lag immer noch wach, den Blick auf die Tür gerichtet. Um die erwartete Zeit holte er sie ab. Außer ihnen beiden war im Adda niemand mehr wach. Er berührte sie am Arm, woraufhin sie sich ohne einen Laut erhob. Es hatte keinen Sinn, sich gegen ihn zu wehren. Jeder Widerstand war zwecklos.
    In dem Raum erwartete sie ein Bett, das kaum breit genug für sie beide war. Ahalya tat, was er von ihr wollte. Es war beschämend und widerwärtig, doch wie sich herausstellte, hatte Sumeera recht. Der einzige Ausweg bestand in innerer Distanz.
    Als Prasad schließlich genug hatte, rollte er sich von Ahalya herunter und begann zu reden. Zu ihrer Überraschung erzählte er von seiner Familie.
    »Suchir ist mein Vater, hast du das gewusst? Er hat viele Kinder gezeugt, doch ich war sein Erstgeborener. Meine Mutter war eine Beshya und starb, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich bin im Adda aufgewachsen.«
    Prasad erzählte weiter, und Ahalya erfuhr, dass Suchir ihm an seinem dreizehnten Geburtstag zum ersten Mal Gelegenheit geboten hatte, seine Manneskraft unter Beweis zu stellen. Das betreffende Mädchen war zu dem Zeitpunkt eine der neuesten Errungenschaften des Malik gewesen. Sie hieß Manasi, und Prasad betrachtete sie als seine erste Liebe. Er hatte sie viele Male oben im Dachzimmer besucht. Sie war im Adda geblieben, bis sie neunzehn war. In dem Jahr hatte sich bei einer der regelmäßigen Untersuchungen herausgestellt, dass sie unter irgendeiner Geschlechtskrankheit litt.
    »Ich weiß nicht mehr, was es war«, erklärte er, »aber auf keinen Fall HIV.«
    Nachdem Sumeera Suchir die Neuigkeit mitgeteilt hatte, setzte er Manasi vor die

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