Du bist mein Stern
haben uns gerade überlegt, einen Abstecher in den, du weißt schon, Rotlichtbezirk zu machen. Willst du mit?«
Ich bin sofort angespannt, aber als Johnny mit »Nein« antwortet, entspanne ich mich wieder. Dann fügt er allerdings hinzu: »Warum für was bezahlen, was man umsonst kriegen kann?«, und unterstreicht seine gut platzierte Pointe mit ein paar schnellen Akkorden auf seiner Gitarre.
TJ lacht, und schließt die Tür hinter sich.
»Nutmeg«, sagt Johnny streng, kaum hab ich mich wieder zu ihm umgedreht. Es ist das erste Mal seit Wochen, dass er mich Nutmeg nennt, und Wärme durchströmt mich. »Du hast mir neulich Abend mein Mädchen nicht mitgebracht.«
»Ach ja?«, erwidere ich, und spüre die Kälte wieder in mir. »Wie meinst du das?«
»Du weißt schon, wie ich das meine.«
»Wien?«, frage ich, nur um sicherzugehen.
»Mmmhmm.«
»Tut mir leid. Ich hab gedacht, du wärst zu betrunken, um es überhaupt mitzukriegen.«
»Ich bin nie zu betrunken.« Er zwinkert mir zu. »Wo will Christian denn heute Abend hingehen?«, fragt er und stellt seine Gitarre neben das Bett.
»Ich weiß nicht. In den Dinner Club oder so was Ähnliches?«
»Supperclub?«
»Ja, genau, das war’s!«
»Den kenne ich. Klar, reservier uns einen Tisch. Und komm auch mit, wenn du Lust hast.«
»Okay«, erwidere ich erfreut. Das ist seit Big Sur das erste Mal, dass ich in ihre Pläne fürs Abendessen einbezogen werde. »So um neun?«, frage ich.
»Ja, cool.«
»Ich hab ganz vergessen dir zu erzählen, dass mein Bruder sich verlobt hat«, sagt Christian zu Johnny. Wir überqueren auf unserem Weg zum Restaurant die Prinsengracht. Johnny hat beschlossen, dem kalten Amsterdamer Wetter zu trotzen und ausnahmsweise zu Fuß zu gehen, anstatt mit dem Wagen zu fahren. Der Supperclub ist nur ungefähr eine halbe Meile vom Hotel entfernt.
»Wow! Cool, Mann! Dann sag ihm herzlichen Glückwunsch von mir.«
»Wie heißt denn dein Bruder?«, frage ich. Das ist nicht gerade ein relevanter Beitrag, aber ich gebe mir alle Mühe, mich ins Gespräch einzubringen.
»Anton«, antwortet Christian. »Ich hab auch einen jüngeren Bruder, Joel.«
»Wie geht’s denn dem kleinen Joel?«, fragt Johnny.
»Gut. Er arbeitet jetzt bei meinem Vater.«
»Ehrlich?«
»Was macht dein Vater denn?«, erkundige ich mich, als wir uns einer Brücke über einen weiteren Kanal nähern.
»Er hat einen Elektrofachhandel oben in Newcastle«, erklärt Christian.
»Cool«, sage ich.
»Na ja, eigentlich eher warm. Wenn all die Elektrogeräte und der ganze Kram eingeschaltet sind.«
»Sehr komisch. Du solltest es mal als Stand-up-Comedian versuchen«, necke ich ihn.
»Nein, das macht schon mein großer Bruder.«
»Er ist Comedian?«, frage ich, doch dann sehe ich seine Miene. »Hey! Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen!«
»Entschuldige. Nein, er ist Steuerberater. Sag mal, wusstest du eigentlich, dass das Wort ›naiv‹ gar nicht im Lexikon steht?« Christian sieht mich an.
»Ha, ha!« Ich boxe ihn scherzhaft in den Arm. »Darauf falle ich jetzt aber nicht rein.«
Ich gehe in der Mitte zwischen den beiden, Johnny zu meiner Rechten und Christian zu meiner Linken.
»Und was ist mit dir, Meg? Hast du irgendwelche Geschwister?«, fragt Christian.
»Eine Schwester, Susan. Sie ist älter als ich. Zweiunddreißig. Verheiratet. Langweilig. Wir haben kein gutes Verhältnis.«
»Warum denn nicht?« Johnny sieht mich interessiert an.
»Sie ist schrecklich eingebildet. Und ich mag ihren Ehemann nicht. Er ist ein absoluter Idiot.«
Die Jungs lachen. »Erzähl uns mehr, Meg«, sagt Christian.
»Ja, er ist wirklich ein Idiot. Letztes Jahr haben wir uns zu Weihnachten alle bei meinen Eltern getroffen – sie leben in Südfrankreich«, erkläre ich. »Und eines Abends hat er, ohne zu fragen, eine Flasche Wein aufgemacht, die mein Vater schon seit Ewigkeiten aufbewahrt hatte. Er hat die Hälfte davon runtergekippt wie Wasser und in der ganzen Zeit, in der sie da waren, nicht eine einzige Flasche Alkohol gekauft. Er ist ein fürchterlicher Geizhals. Und ich reg mich jedes Mal tierisch auf, wenn meine Schwester ihn nicht bremst.«
»Die Freundin von meinem Bruder – beziehungsweise jetzt Verlobte – ist auch ein bisschen so«, sagt Christian. »Mum macht das wahnsinnig. Sie fühlt sich immer gleich wie zu Hause, wenn sie bei meinen Eltern zu Besuch ist, aber die Küche ist meiner Mutter nun mal heilig, sie betrachtet sie als ihre ureigene Domäne. Wenn man sich
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