Du bist nie allein
Auffahrt. Er sah den Wagen etwas eher als Jennifer.
Der Wagen wurde nicht langsamer.
Einen Moment lang war Pete wie gelähmt. Er zielte mit der Pistole darauf, zögerte jedoch, und jetzt sah auch Jennifer, was geschehen würde.
Pete sprang in allerletzter Sekunde beiseite. Er landete auf dem Bauch, und die Pistole flog ihm aus der Hand.
Jennifer hätte im Bruchteil einer Sekunde schießen müssen, doch wegen Petes Hechtsprung und der durch die Bäume behinderten Sicht entschied sie sich dagegen.
Das Auto donnerte die Auffahrt hinab, schlingerte um die Kurve und verschwand außer Sichtweite.
Jennifer rannte auf Pete zu. Er rappelte sich bereits wieder hoch und suchte nach seiner Pistole.
Erst nach Sekunden fanden sie die Waffe, dann stürmten sie wortlos zum Streifenwagen. Jennifer sprang auf der Beifahrerseite hinein, und sie knallten gleichzeitig die Türen zu. Pete griff zum Zündschlüssel.
Er war fort.
Zugleich fiel Jennifer auf, dass die Kabel des Funkgeräts aus dem Armaturenbrett gerissen worden waren.
»Scheiße!«, schrie Pete und schlug mit der Faust auf das Lenkrad.
Jennifer rief von ihrem Handy aus im Revier an und informierte die Kollegen. Da in ihrer kleinen Dienststelle aber nur wenige Beamte Dienst taten, hatte sie kaum Hoffnung, dass sie Richard schon bald fassen konnten. Als sie das Gespräch beendet hatte, schaute Pete sie an.
»Was machen wir jetzt?«
»Ich gehe mal rein.«
»Ohne Durchsuchungsbefehl?«
Jennifer öffnete die Wagentür und stieg aus. »Er hat Sie fast überfahren und ist vermutlich willens, noch weiteren Personen Schaden zuzufügen. Scheint mir ein ausreichender Grund, sich Zutritt zu verschaffen. Ihnen nicht?«
Pete Gandy schloss sich ihr ohne Widerspruch an. Trotz des Adrenalinschubs und der Frustration kam er nicht umhin, festzustellen, dass Jennifer Romanello den Dreh doch verflixt schnell herausbekommen hatte.
Als sie ins Haus trat, fiel Jennifer als Erstes auf, wie normal die Einrichtung wirkte.
Hier könnte jeder wohnen, dachte sie.
Die Küche war absolut sauber, die Spüle blinkte im Sonnenlicht, ein Spüllappen hing säuberlich gefaltet über dem Beckenrand. Nicht ein Topf stand auf dem Herd, kein benutztes Geschirrteil auf der Anrichte. Die Einrichtung war zwar offenbar alt – der Kühlschrank sah aus wie die Modelle kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, und weder Geschirrspülmaschine noch Mikrowellenherd waren vorhanden. Doch der Raum wirkte gemütlich – eine Küche, wie man sie von seinen Großeltern in Erinnerung hatte.
Jennifer drang weiter vor und kam zunächst in ein altes Esszimmer. Hier war es überraschend hell, durchs Fenster fielen die goldenen Strahlen der Vormittagssonne bis auf den Fußboden. Die hellgelbe, üppig mit Blumen gemusterte Tapete und die Eichenholzmöbel verliehen dem Zimmer einen gediegenen Anstrich. Der Tisch war schlicht, die Stühle ringsherum ordentlich darunter geschoben.
Auch im Wohnzimmer fiel Jennifer zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Doch dann…
Erst nach einem Moment begriff sie, was an dieser Umgebung nicht stimmte.
Es gibt hier überhaupt keine persönlichen Dinge, dachte sie. Keine Fotos oder Gemälde an den Wänden, keine Zeitschriften oder Zeitungen auf dem Couchtisch, keine Pflanzen. Keine Hi-Fi-Anlage oder CDs, kein Fernseher.
Nur die Möbel.
Jennifer spähte die Treppe hoch. Hinter ihr kam Pete ins Haus, mit gezogener Pistole.
»Ziemlich leer, was?«, bemerkte er. Jennifer nickte.
»Ich wollte gerade nach oben gehen«, sagte sie.
Pete folgte ihr. In der ersten Etage spähten sie den Flur entlang, wandten sich dann nach rechts und öffneten eine Tür. Jennifer betätigte den Lichtschalter.
Sie standen in der Dunkelkammer.
Im rötlichen Schein der Lampe wurde Jennifer unvermittelt klar, womit Richard seine Zeit verbracht hatte. »Der Herr steh uns bei«, war alles, was ihr über die Lippen kam.
Um kein Aufsehen zu erregen, drosselte Richard die Geschwindigkeit, sobald er die Hauptstraße erreichte.
Sein Herz hämmerte, aber er war frei! Frei! Er war entkommen, als ein Entkommen schon aussichtslos schien, und er lachte laut auf. Lebhaft standen ihm die dämlichen Gesichter der Polizisten vor Augen.
Schade nur, dass Pete Gandy aus dem Weg gehechtet war. Im Geiste konnte sich Richard gut das dumpfe Geräusch vorstellen, mit dem das Auto ihn zermalmt hätte.
Er lachte noch einmal gut gelaunt und konzentrierte sich dann auf seinen Plan.
Er musste das Auto loswerden, aber zunächst wollte er
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