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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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zwanglos benehmen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie in den turbulenten letzten Wochen fast vergessen hatte, wie sehr sie den entspannten Umgang mit Mike genoss.
    Schon während ihrer Ehe mit Jim hatte sie die friedlichen Alltagssituationen am meisten genossen: die faulen Vormittage, die sie Zeitung lesend und Kaffee trinkend im Bett verbracht hatten, oder die kalten Herbstmorgen, wenn sie Blumenzwiebeln im Garten setzten. Oder wenn sie stundenlang durch Geschäfte gezogen waren, um Schlafzimmermöbel auszusuchen, endlos über die Vorzüge von Kirsche oder Ahorn debattierend. Dies waren die Momente, in denen Julie am zufriedensten war, in denen sie sich endlich zugestand, an das Unmögliche zu glauben. Dies waren die Momente, in denen die Welt rundum in Ordnung schien.
    Während ihr diese Erinnerungen durch den Kopf gingen, betrachtete Julie Mike beim Essen. Er kämpfte mit langen Käsefäden, die sich zwischen seinem Mund und der Pizza zogen, und stellte sich ungeschickter an, als er eigentlich war. Manchmal fummelte er hektisch an dem Pizzastück herum, damit der Belag nicht runterfiel oder Tomatensoße hinabtröpfelte. Dann lachte er über sich selbst, fuhr sich mit der Serviette übers Gesicht und brummte vor sich hin: »Jetzt hätte ich mir fast das Hemd versaut.«
    Dass er sich selbst nicht ernst nahm und auch Julies Fopperei gutmütig ertrug, weckte in ihr eine warme Zuneigung zu ihm, ganz so, wie sie es sich bei alten Ehepaaren vorstellte, die händchenhaltend auf einer Parkbank saßen. Das ging ihr abermals durch den Kopf, als sie ihm wenig später in die Küche folgte und zusah, wie er, ohne fragen zu müssen, die Frischhaltefolie aus der Schublade beim Herd nahm. Als er die Pizza einpackte und in den Kühlschrank räumte und dann automatisch nach der vollen Mülltüte griff, hatte Julie kurz die Vision, dass die Szene nicht jetzt, sondern irgendwann in der Zukunft spielte, an einem ganz normalen Abend einer langen Reihe gemeinsam verbrachter Abende.
    »Das war’s dann wohl«, sagte Mike und sah sich in der Küche um.
    Der Klang seiner Stimme schreckte Julie auf, und sie spürte, wie sie leicht errötete.
    »Sieht so aus«, stimmte sie zu. »Danke, dass du noch beim Aufräumen geholfen hast.«
    Ein längeres Schweigen folgte.
    Dann klatschte Mike in die Hände.
    »Ich gehe wohl jetzt besser. Muss morgen früh raus.«
    Julie nickte. »Dachte ich mir schon. Ich will auch bald ins Bett. Singer hat mich gestern noch stundenlang wach gehalten.«
    »Was hat er denn gemacht?«
    »Gewinselt, geknurrt, gebellt… alles Mögliche, nur um mich zu nerven.«
    »Was war denn los?«
    »Ach, Richard ist gestern Nacht vorbeigekommen. Und du weißt doch, wie Singer sich bei fremden Leuten aufführt.«
    Es war das erste Mal an diesem Abend, dass Richards Name fiel, und Mikes Hals war plötzlich wie zugeschnürt.
    »Richard war letzte Nacht hier?«, fragte er.
    »Nein – nicht, wie du denkst. Wir sind nicht ausgegangen und so. Er hat mir nur eine Notiz ans Auto geklemmt, dass er ein paar Tage weg muss.«
    »Oh«, sagte Mike.
    »Es war wirklich weiter nichts«, fügte Julie noch einmal hastig hinzu.
    »Um wie viel Uhr war das?«, fragte Mike.
    Julie drehte sich unwillkürlich zur Küchenuhr um, als müsse sie die Stellung der Zeiger sehen, um sich zu erinnern.
    »Gegen zwei ungefähr. Da hat Singer jedenfalls mit dem Lärm angefangen, aber wie gesagt, es ging eine ganze Weile lang so. Warum?«
    Mike presste die Lippen zusammen und dachte: Und warum hat Singer so lange Zeit geknurrt?
    »Ich hab mich nur gerade gefragt, warum er die Nachricht nicht morgens vorbeigebracht hat, bevor er wegfuhr«, sagte er.
    Julie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht hatte er morgens keine Zeit.«
    Mike nickte, unschlüssig, ob er noch etwas sagen sollte. Er entschied sich dagegen. Stattdessen griff er nach seiner Werkzeugkiste und der kaputten Mischbatterie, denn er wollte nicht, dass der Abend womöglich mit einem Missklang endete.
    »Hör zu…«
    Julie sah ihn an und bemerkte zum ersten Mal ein kleines Muttermal auf seiner Wange.
    »Ich weiß – du musst los«, sagte sie etwas atemlos.
    Mike trat von einem Fuß auf den anderen. Da ihm nichts Besseres einfiel, hielt er die Batterie hoch.
    »Na ja, danke, dass du mich deswegen angerufen hast. Ob du’s glaubst oder nicht, es war ein schöner Abend.«
    Ihre Blicke trafen sich, bis Mike fortschaute. Julie stieß die Luft aus – ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie den Atem

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