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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
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stellen oder abzuwerten. Aber wir sollten uns ernsthaft fragen, ob all diese so selbstverständlich verordneten Maßnahmen wirklich notwendig sind. Denn wenn wir genauer hinschauen würden, könnten wir erkennen, dass Kinder sich fast ausnahmslos in nachvollziehbarer Weise verhalten und vor allem re agieren. Reagieren auf eine Umwelt, die nivelliert, die einordnet und keinen Platz für individuelle Gestaltungsräume lässt. Viele der Reaktionen von Kindern sind in diesem Kontext sogar gesund.
    Würden wir hinsehen, dann müssten wir Verantwortung übernehmen und uns selbst hinterfragen! Wenn wir fragen würden, warum Kinder etwas tun (oder nicht tun), und nicht nur darauf schauen, was sie da gerade tun (und wie sehr das von unseren Vorstellungen abweicht), dann würden die Zahlen der verhaltensauffälligen Kinder schneller schmelzen als ein Schneemann in der Wüste.
    Vermutlich ist ein Großteil von uns wirklich und wahrhaftig davon überzeugt, dass unsere Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen, die so kinderfreundlich, so kindgerecht und so voller Chancen für Kinder ist wie keine zuvor. Und es ist wahr, Kinder sind in unserer Gesellschaft sehr in den Fokus gerückt. Nur stehen sie nicht ganzheitlich mit all ihren Bedürfnissen, ihrer Entwicklung, ihren Chancen und ihren Potenzialen im Mittelpunkt. Sie sind in die Mühlen unserer Ansprüche und Vorstellungen geraten und stehen deshalb vor allem mit ihren Defiziten und ihren Schwächen im Vordergrund.
Symptombehandlung zur Anpassung statt Individualität und Vielfalt
    Oft schauen wir Erwachsenen ausschließlich auf das Verhalten von Kindern. Wir wollen ein störendes Verhalten schnellstmöglich regulieren, wollen das Kind anpassen an unsere Vorstellungen. Dabei ist das Verhalten von Kindern nur ein Symptom und ergibt, wenn wir es im Zusammenhang mit der Entwicklungsstufe, dem jeweiligen Kontext und der Persönlichkeit des Kindes sehen, immer einen Sinn. Den Sinn zu erfassen und Verständnis zu entwickeln kostet Zeit, die wir uns oft nicht nehmen können oder wollen. Zeit, die aber notwendig wäre, um zu verstehen, welche Persönlichkeit, welcher Mensch, sich hinter dem Verhalten verbirgt.
Symptombehandlung im Kontext von Schule
    Jeder von uns kennt ein Kind, das wie Oskar ist. Dass er häufig zu spät kommt, seine Hausaufgaben nicht macht und wie er sich bei Konflikten verhält, das sind die auffälligen und von uns als störend empfundenen Symptome. Sichtbar ist ein Kind, das stört. Das ist anstrengend. Oskar ist anstrengend – und so nehmen wir ihn dann wahr! An Kindergeburtstagen sind diese Kinder – eben weil ihr Konfliktverhalten auffällt – wenig beliebt. Sie werden nicht eingeladen. In der Schule gilt Oskar als »Problemkind«.
    Doch nun wird nicht die Frage nach den Ursachen der Symptome gestellt. Vielmehr werden erzieherische Maßnahmen ergriffen, um das unerwünschte Verhalten abzustellen und auf diese Weise die Störung zu beseitigen. Oskar soll sich anpassen, sein Verhalten soll sich verändern. Eine Symptombehandlung setzt ein, die sich ausschließlich an dem, was wir vordergründig sehen und wahrnehmen, orientiert.
    Meiner Erfahrung nach verhalten sich Kinder keineswegs unangepasst, um jemanden zu ärgern. Im Gegenteil. Kinder sind grundsätzlich kooperativ, sie wollen sich verbinden und mit uns Erwachsenen zusammenwirken. Wenn ein Kind also nicht mit uns zusammenarbeitet, dann nie, weil es das aus sich heraus nicht möchte, sondern weil es durch bestimmte, oft von uns selbst geschaffene Umstände daran gehindert wird. Die Sanktionen, die Kinder dann häufig ertragen müssen, sind nicht angenehm – auch, wenn es den Kindern scheinbar »wenig« ausmacht oder nichts »fruchtet«, wie es vielen Lehrern vorkommen mag. Dieser Eindruck täuscht. Im Inneren der Kinder geschieht eine Menge: Durch das negative Hervortreten aus einer Gruppe werden Kinder häufig zu Einzelgängern und Außenseitern. Die Sehnsucht nach Anerkennung und Zugehörigkeit zu einer Gruppe trägt jedoch jeder Mensch in sich. Auf diese Weise stigmatisierte Kinder erleben eine Verletzung ihrer Persönlichkeit und Integrität, die für die Umwelt nicht immer sichtbar wird. Nicht selten haben Kinder aus Erfahrungen mit Erwachsenen sehr gut gelernt, ihre Verletzlichkeit zu verbergen. Es gibt hier für Kinder zwei Möglichkeiten zu reagieren:
     
Rückzug: Die Kinder ziehen sich traurig und entmutigt zurück und werden so zu Außenseitern.
Aggression: Die Kinder reagieren offensiv. Sie

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