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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
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Gesellschaft. Es geht hier nicht um Akten, wir sprechen von unseren Kindern.

Erziehung – Du bist o.k., so wie ich will!
Ich strebe kein Modell an. Ein Modell im Kopf lässt die Wirklichkeit da draußen ersterben – sprich: Das Modell wird ihr nicht gerecht!
Jesper Juul
    Was ist Erziehung? Und welches Menschenbild birgt sie in sich? Schauen wir uns, um diese Fragen beantworten zu können, die einzelnen Mechanismen von Erziehung an.
    Herkömmliche Erziehung beruht auf vier einander bedingenden Grundprinzipien:
Macht: Die machtvolle Position der Eltern wird für die Durchsetzung eigener Interessen genutzt.
Gewalt: Wenn die elterlichen Interessen nicht anders durchgesetzt werden können, werden auch gewaltsame Maßnahmen angewandt.
Anpassung: Ziel ist die Anpassung des Kindes an die Vorstellungen und Erwartungen der Erwachsenen.
Gehorsam: Der Gehorsam des Kindes ist die grundlegende Bedingung der Erziehung.
    Um ihre Ziele zu erreichen, nutzen Erziehende folgende Formen des Umgangs:

    Um die gewollte Anpassung durchzusetzen, werden von Erziehenden diese Methoden verwendet:
    Kontrolle
    Kontrolle durch Erwachsene, ob die gewollte Richtung auch eingehalten wird (generelles Misstrauen vorausgesetzt)
    Bevormundung/Belehrung/Ermahnung
    Gezielte und ungezielte verbale Strategien zur Einwirkung durch Erwachsene
    Strafe/Konsequenz
    Strafe als Maßnahme bei Ungehorsam, Konsequenz als Strafe in neuem Gewand
    Kritik
    Bewertung/Beurteilung des Verhaltens von Kindern durch Erwachsene
    Lob
    Anerkennung als Verstärkung für gewolltes Verhalten oder eine zu erbringende Leistung
    In Alltagssituationen können diese Methoden manchmal sehr klar, manchmal in abgeschwächter oder auch subtiler Form sichtbar werden. Letztendlich wird jedoch Erziehung von den Erwachsenen immer zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen genutzt. So bleibt im Kern nach wie vor das gültig, was eigentlich überholt ist. Die Botschaft von Erziehung ist eindeutig: Du bist nur o. k., wenn du so bist, wie ich es will.
Die Macht der Erziehung

Lea
Die vierjährige Lea soll ihr Zimmer aufräumen. Zunächst beginnt sie mit Elan und räumt einige Dinge vom Fußboden in die Regale. Zunehmend lässt sie sich jedoch von ihren Spielsachen ablenken. Sie legt sich auf den Bauch und beginnt ein neues Spiel, in das sie ganz vertieft ist, als ihre Mutter ins Zimmer kommt. Diese reagiert prompt: »Lea, warum räumst du nicht auf? Wir haben doch gesagt, dass du nach dem Spielen alles aufräumen sollst, das war doch abgemacht. Warum hältst du dich nicht an unsere Vereinbarung?« – »Ich hab doch schon, aber dann … ich hab nur noch kurz gespielt, Mama!«, versucht Lea sich zu erklären. »Das ist mir egal, Lea! Wenn du dich nicht an unsere Abmachung hältst, dann musst du auch die Konsequenzen tragen.« Leas Mutter beginnt nun selbst aufzuräumen und wirft ärgerlich die Bausteine in den dazugehörigen Kasten. »Es reicht jetzt wirklich«, sagt sie, »wenn man etwas vereinbart, dann muss man sich auch dran halten. Das musst du lernen. Du hast dich nicht daran gehalten, deshalb ist die Konsequenz, dass wir heute Abend kein Fernsehen schauen.« Lea beginnt zu weinen und schmeißt sich schließlich auf den Boden. Leas Mutter räumt zu Ende auf und verlässt das Zimmer. Lea bleibt schluchzend auf dem Boden liegen.

    Es geht nicht darum festzustellen, ob Leas Mutter hier »richtig« oder »falsch« gehandelt hat, oder zu beurteilen, ob sie eine gute oder schlechte Mutter ist. Bei der Erziehung unserer Kinder laufen viele unbewusste Prozesse (Abwertung, Kritik etc.) ab, und wir hinterfragen unser Handeln oft nicht, weil wir im Alltag einfach Erziehung »betreiben« und es selbst so erfahren haben. Ich habe im Rahmen meiner beruflichen Praxis niemals Eltern getroffen, die »schlecht« waren. Im Gegenteil. Sie liebten alle ihre Kinder und haben immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Beste gegeben.
    Das gilt auch für Leas Mutter. Worum es also hier geht: Sie folgt im Umgang mit ihrer Tochter einer Machtstruktur und ist einem Modell verhaftet, dem Modell der Erziehung. Sie bewegt sich in diesem Modell, wendet bestimmte Methoden an und verlangt von ihrer Tochter, dass sie sich diesen Methoden beugt. Sie verlangt Gehorsam.
Gehorsam
Das immer noch berühmteste Buch über die angebliche Notwendigkeit von Gehorsam ist Heinrich Hoffmanns erstmals 1845 erschienener »Struwwelpeter«, in dem Hoffmann die Grundsätze der von Kritikern sogenannten Schwarzen Pädagogik, die auf dem

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