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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
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Aufmerksamkeit die Gesamtsituation betreuen, zum anderen aber auch Verständnis für die Gefühle der Erstgeborenen entwickeln und besonders liebevoll reagieren, indem sie die Kinder auf den Schoß nehmen, auch sagen, dass sie das Hauen nicht wollen, ihnen aber vor allem sagen, dass sie geliebt sind. Wenn Eltern mit Schimpfen, Vorwürfen oder gar Strafen reagieren, verstärkt sich das Gefühl der Kinder, sie seien nicht geliebt, um ein Vielfaches, und das Verhalten der Eltern wird von ihnen als Bestätigung ihres Gefühls angesehen. Eltern erreichen somit das Gegenteil dessen, was sie eigentlich beabsichtigen. Problematisch wird die Situation dann, wenn sich beim Kind die grundsätzliche Überzeugung einstellt, dass es von seinen Eltern abgelehnt und mit seinen Bedürfnissen nicht gesehen wird.
Wesentlich ist, dass Eltern die Gefühle der älteren Geschwister nicht bagatellisieren und die Signale ihrer Kinder beachten und ernst nehmen. Die »großen Geschwister« brauchen gerade in den ersten Monaten, nachdem das Neugeborene dazugekommen ist, viel Zuneigung, Wärme und Körperkontakt – und Eltern, die mit ihnen über die veränderte Konstellation in der Familie sprechen, damit sie die Sicherheit bekommen, dass sie immer noch in gleicher Weise geliebt und aufgehoben sind wie vor der Geburt des Bruders oder der Schwester.
    Der eigentliche Konflikt zwischen Marius und seinem Bruder bleibt ungelöst, was bei Marius zu Wut führt, die sowohl an seinen Bruder als auch an seine Mutter weitergegeben wird. Dabei liebt die Mutter ihre beiden Jungs. Sie reagiert nur lieblos, weil sie die Vorstellung hat, dass dies zur Rolle der Mutter gehört. Dabei ignoriert sie nicht nur die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder, sondern häufig auch ihre eigenen. So äußern Eltern oft, dass es ihnen schwerfalle, diese Konsequenzen und Strafen durchzuhalten. Es gelingt ihnen nur, weil sie denken, es sei richtig und gut für ihre Kinder, da die Umwelt immer wieder zu konsequentem elterlichen Verhalten aufruft.
    Vielleicht kennt der eine oder andere Leser die »Auszeit« als Maßnahme, weil er mal im Fernsehen gesehen hat, wie sie in der Anfangsphase meiner öffentlichen Arbeit mit Familien angewandt wurde. Diese Maßnahme geht zurück auf die Methode von »Tripple P«, einem Erziehungsprogramm, das stark auf Verhaltensanpassung setzt und welches Teil des damaligen Konzepts der Fernsehsendung (aus dem englischen Originalformat kommend) war. Auch in pädagogischen Ratgebern wird die Methode der »Auszeit« für das Kind empfohlen, zum Beispiel von Annette Kast-Zahn in ihrem Buch »Jedes Kind kann Regeln lernen«:
    »Vielen Kindern hilft der ›Stille Stuhl‹, sich wieder an die Familien-Regeln zu erinnern. Sie wollen lieber nach kurzer Zeit weiterspielen, statt eine Auszeit in einem anderen Zimmer zu riskieren. Deshalb ist der ›Stille Stuhl‹ eine sanfte und trotzdem effektive Konsequenz.«
    Für mich hat sich diese Methode nach kurzer Zeit als wenig hilfreich, ja sogar als destruktiv erwiesen. Es wurde schnell deutlich, dass das Kind dabei nicht nur massiv in seiner Autonomie eingeschränkt, sondern auch in seiner Persönlichkeit gekränkt und dessen persönliche Grenzen verletzt wurden. Zwischen den Zeilen kommt dabei eine Grundbotschaft beim Kind an: »Ich will, dass du meine Grenze wahrst, deine Grenze jedoch hat keine Bedeutung für mich!«
    Wie aber können wir Grenzen setzen, ohne die Integrität der Kinder zu verletzen? Wenn ich heute mit Eltern über diese Frage spreche, so erlebe ich oft Verunsicherung. Eltern schwanken zwischen dem Wunsch, ihre Liebe in Form von Fürsorglichkeit auszudrücken, und der Frage, wie weit sie ihre eigenen Bedürfnisse gegenüber den vermeintlichen Bedürfnissen des Kindes hintanstellen dürfen und sollen. Aus diesem Zwiespalt entsteht immer wieder die Frage: Wie und wann genau setze ich eine Grenze?

Neulich im Schwimmbad
Ein etwa sechsjähriges Mädchen ist mit ihren Eltern in der Schwimmhalle aufgetaucht. Die Mutter hält die Hand des Mädchens, welches jedoch unzufrieden wirkt und trotzig die Hand der Mutter mit einer großen Geste von sich schleudert. Sie verzieht das Gesicht, schaut missmutig ihre Mutter an und verschränkt die Arme vor der Brust. Dann macht sie ein, zwei Sprünge zum Vater und sucht dessen Hand. Der Vater greift sie liebevoll und versucht, sie aufzumuntern. Er zeigt auf die Liegestühle und erklärt ihr, dass sie zunächst die Handtücher dort ablegen müssen, bevor sie ins

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