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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
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hat, dass mittlerweile jeder zweite Schüler bereits eine Therapie hinter sich hat. Das ist eine absolute Katastrophe! Die eigentlichen Bedürfnisse der Kinder werden dabei überhaupt nicht berücksichtigt. Meine Erfahrung ist, dass 90 Prozent dieser Kinder keine Therapie, sondern Hinwendung und eine stabile Beziehung brauchen.
Warum die Gefühle beim Lernen wichtig sind
    Gefühlen wird zwar heute schon eine andere Bedeutung zugeschrieben als noch vor einem halben Jahrhundert, und wir wissen, dass es wichtig ist, über Gefühle zu sprechen, sie zuzulassen und benennen zu können. Dennoch überwiegt die Tendenz, Gefühle in bestimmten Prozessen als störend anzusehen, als etwas, was man tunlichst überwinden sollte, wenn man erfolgreich sein und etwas erreichen will.
    Auch die Schule scheint ein Ort zu sein, wo Gefühle kaum Platz finden. Dabei – das hat Gerald Hüther anschaulich belegt – belegt die Wissenschaft: Ohne Gefühle geht gar nichts. Denn sie sind eng an unsere Handlungen und (Lern-)Erfahrungen gekoppelt. Das Gefühl, welches uns beim Lernen begleitet, ist also maßgeblich dafür, wie wir das Gelernte wahrnehmen und ob und wie lange wir uns die Inhalte merken können. Nach den Erkenntnissen der Hirnforschung ist jede Handlung, jede Erfahrung auch an Emotionen gekoppelt. Hirnforscher erklären das mit den sogenannten somatischen Markern, also den den Körper betreffenden Wahrnehmungen, die dafür sorgen, dass jede Handlung, jede Erfahrung im Gehirn mit einem Gefühl verbunden ist. Wenn nun im Unterricht Lehrstoff vermittelt wird, dann wird im Hirn ein bestimmtes Netzwerk aktiviert. Zugleich hat man bestimmte Körperwahrnehmungen, bestimmte Gefühle während der Mathestunde, und dadurch wird ein weiteres Netzwerk aktiviert. Die Grundregel, die die Hirnforschung nun daraus ableitet, lautet, dass sich das, was im Gehirn gleichzeitig aktiviert wird, verbindet, miteinander verkoppelt; und auf die Weise entsteht ein neues, gekoppeltes Netzwerk. Das heißt, dass im Gehirn später, wenn wir uns wieder mit Mathematik beschäftigen, die gleichen Gefühle (mit-)aufgerufen werden, die wir zum Zeitpunkt der Kopplung empfunden hatten. Die Hirnregion, in der dies geschieht, ist die präfrontale Rinde. Hier werden äußere Reize verarbeitet und mit Gedächtnisinhalten und emotionalen Bewertungen verbunden. Auf dieser Basis trifft der Mensch dann seine Handlungsentscheidungen. Das heißt, dass immer ein kognitiver und ein emotionaler Anteil zusammenkommen, wenn wir etwas erleben oder darüber entscheiden müssen, wie wir auf dieses Erlebte reagieren.
    Die Schlüsse, die man aus pädagogischer Sicht aus diesen physiologischen Vorgängen ziehen kann, sind genauso einleuchtend wie im Grunde einfach: Wenn Schüler den Lernstoff – aus welchen Gründen auch immer – überwiegend mit negativen Gefühlen verbinden, dann wird sich das Gelernte genau mit diesen Gefühlen koppeln. Natürlich ist es nicht möglich, dass alle Kinder stets von allen Inhalten begeistert sind und positive Gefühle mit dem Stoff verbinden. Viel gewonnen wäre aber schon, wenn zumindest negative Gefühle wie Enttäuschung, Kränkung oder das Empfinden, abgewertet zu werden, weitgehend vermieden würden. Und hierbei ist die persönliche Beziehung zum Lehrer entscheidend.
Wie Abwertung und Kränkung im Lernprozess wirken
Wenn Kinder beim Lernen Abwertung und Kränkung erfahren, dann sind sie – aufgrund dieser Erfahrung – permanent in Erwartung einer neuen Abwertung. Die Kinder befinden sich durch diese Erwartungsangst in emotionaler Not; die negative Erwartungshaltung setzt das Gehirn unter Dauerstress. Wenn kein Erwachsener – zum Beispiel der Lehrer – die Kinder aus dieser Stresssituation, dieser inneren Not befreit, dann behilft sich das Gehirn selbst, indem es bemüht ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen und dem Dauerstress zu entgehen. Die Kinder beginnen sich deshalb mit den Kränkungen und Abwertungen zu identifizieren. Das Selbstwertgefühl nimmt ab, die Kinder glauben selbst, dass sie alles falsch machen und nicht fähig sind, die gestellten Aufgaben zu bewältigen. Dieser physiologische Schutzvorgang entlastet das Gehirn vom Dauerstress, indem das eigene Denken und Fühlen an die Reaktionen der Außenwelt angeglichen werden. Dadurch wird die akute Not, der akute Schmerz zwar rein physiologisch gelindert, das Selbstwertgefühl jedoch leidet enorm.
Es ist schwer, Kinder aus dieser Abwertungsspirale zu befreien und ihnen wieder die

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