Du bist zu schnell
ich.
Spasti erschrickt nicht. Er dreht sich nicht einmal um, sondern korrigiert einen der Zweige und verschränkt zufrieden die Arme vor der Brust.
— He, Spasti?
— He, Val, sagt er, Ich dachte, du kommst gar nicht mehr.
-Was treibst du da?
— Hab ‘neTür gemacht.
— Und wozu?
— Weil da eine hingehört. Ist ‘n Durchgang, verstehst du? Da geht’s durch.
Er zeigt auf seine Tür. Ich nicke, als wüßte ich, wovon er spricht. Dann gehe ich näher ran.
— Ohoh, nicht so nahe, sagt Spasti.
—Wieso?
- Ich muß doch aufpassen, daß da keiner durchgeht. Wenn du da durchgehst, kommste nicht mehr zurück.
- Quatsch.
- Nee, is kein Quatsch, is echt wahr. Ich paß auf, ich bin
der Wächter, der---
- Du bist kein Wächter, unterbreche ich ihn, Du bist keiner von den Schnellen, Spasti, verarsch mich nicht.
Spasti kichert. Er hält sich die Hände vor den Mund. Seine Hände sind voller Schnee. Als er seine Hände senkt, ist der Schnee verschwunden.
—Wer sind schon die Schnellen, sagt er.
- Das willst du gar nicht wissen, sage ich.
- Wer sind schon die Schnellen, wiederholt Spasti, als hätte er mich nicht gehört, dann springt er vor und versucht mich aufzuhalten.
-Was machst’n da? Nee, Val, mach mal nicht.
Aus der Nähe kann ich sehen, daß er dieTür dekoriert hat. Mit Beeren und Tannenzapfen zwischen den Ästen.
- Schick, sage ich.
- Paß ja auf, daß du nicht reinfällst, warnt mich Spasti.
- Ich falle da nicht rein, sage ich und strecke die Hand aus,
ich guck nur, ob---
Spasti stößt mich mit solcher Wucht zur Seite, daß ich erneut auf mein Ohr falle. Ich schreie und schlage auf ihn ein. Ich weiß nicht, wie lange wir uns keilen, irgendwann liege ich keuchend im Schnee und stehe wieder auf. Es ist wieder ein Jahr vergangen. Nur Spasti ist nicht gealtert. Seine Nase blutet, und die Wangen glühen rot.
- Ich guck doch bloß, sage ich.
- Du lügst, sagt Spasti.
Ich stelle mich vor dieTür.
- Nicht, sagt Spasti.
Ich breite die Arme aus.
- Bitte, sagt Spasti.
Ich lasse mich in die Schneewehe fallen und sitze mit einem Mal aufrecht im Bett. Das T-Shirt klebt an meinem Körper, draußen ist es dämmerig, ich habe keine Ahnung, wo ich bin.
— Marek?
Ich steige aus dem Bett und gehe in das Wohnzimmer. Langsam erkenne ich alles wieder.
—Theo?
Ich schalte eine der Lampen an und schaue in den Flur. Mareks Mantel und seine Schuhe sind verschwunden. Ich renne zum Fenster. Auf dem Parkplatz steht ein anderes Auto und tief in mir ist plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen. Ich hätte nicht gedacht, daß mich Mareks Verschwinden so treffen könnte. Warum habe ich getan, als ob es in Ordnung wäre, daß er fährt? Jetzt ist er weg, und ich bereue es, mir nicht mehr Mühe gegeben zu haben.
Er ist bald wieder da, beruhige ich mich und lehne die Stirn gegen die Fensterscheibe. Das kalte Glas fühlt sich gut an. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie Marek im Auto sitzt, wie Musik läuft.
Als ich die Augen wieder öffne, steht ein Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sein Gesicht liegt im Schatten, das Licht der Straßenlaterne ist hinter ihm. Er lehnt an einem Auto und sieht hoch, sieht mich direkt an.
Ich weiche zwei Schritte zurück. Ohne den Blick vom Fenster zu nehmen, finde ich den Schalter der Lampe und lösche das Licht. Langsam zähle ich bis hundert, bevor ich mich wieder dem Fenster nähere.
Der Mann steht noch immer unten und schaut hoch.
(g)
Theo findet mich im dunklen Wohnzimmer auf dem Sessel. Ich habe die Beine angezogen und rauche. Der Aschenbecher liegt auf meinem linken Knie, die zweite Schachtel Zigaretten auf meinem rechten. Ich habe eine Kippe an der anderen angezündet und bin froh, daß Theo endlich da ist.
— Warum sitzt du im Dunkeln? fragt er und bringt den Einkauf in die Küche.
— Sie wissen, was ich vorhabe, sage ich.
Theo bleibt stehen und kommt mit den zwei Tüten zurück in das Wohnzimmer.
— Sie ... was?
— Sie beobachten das Haus, sie wissen, was ich vorhabe.
Theo stellt die Tüten ab und geht zum Fenster. Er sieht nach
links und rechts.
— Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, sage ich, Vor einem roten Auto. Ein Mann mit langem Mantel.
Theo atmet tief ein.
— Da ist niemand?
Theo schüttelt den Kopf, dann öffnet er das Fenster und läßt es einen Spalt
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