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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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umzubringen, hatte ich etwas Flapsiges gesagt, als ich gerade entlassen werden sollte, woraufhin ich noch einmal zwei Wochen bleiben musste. Anstatt also die Worte auszuspucken, an die ich dachte – in was für ein Leben? – setzte ich ein (hoffentlich) blendendes Lächeln auf. »Ja, bin ich.«
    Doktor Richter klickte mit ihrem Kuli, etwas, das sie immer tat. Wenn sie nicht Ärztin gewesen wäre, hätte ich es eine nervöse Angewohnheit genannt. »Und was ist mit Ami?«, fragte sie. »Wie geht es mit ihr?«
    »Ich vermisse sie.« Ups. »Ich meine, wie ich gesagt habe, ich denke, ich habe immer gewusst, dass sie nicht echt war«, fügte ich hastig hinzu. »Sie war nur …« Ich richtete meine ganze Kraft auf den Klumpen in meiner Kehle. Doktor Richter würde mich wohl nicht gerne den Verlust von jemandem beweinen sehen, der nie existiert hat. »Sie war nur manchmal sehr nützlich für mich.«
    Als ich noch ein Kind war, hatte ich die ganze Zeit Freunde erfunden. Einen Jungen namens Bim-Bim, der immer Schuld hatte, wenn etwas zu Bruch ging. Und ein Mädchen namens Spanner. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo der Name herkam, aber ich weiß, sie war so eine Art Superwoman und jagte herbei, wenn ich Hilfe brauchte. Damals hielt das keiner für eine große Sache, wenn ich erfundene Freunde hatte. Im Gegenteil – Mum ermutigte mich sogar. Sie fragte, wie es ihnen ging, und deckte für sie beim Abendessen mit. Ich war lange Zeit Einzelkind, also gab es einen Grund, mir meine eigenen perfekten Geschwister zu erschaffen, die alles an mir liebten und glücklich waren, ohne Ende mit mir zu spielen.
    Ich glaube, es ist ganz gewöhnlich, dass Kinder so etwas tun. Wenn man aber älter ist, wird es als bizarr empfunden. Aber ich hatte Ami aus demselben Grund erfunden wie Bim-Bim und Spanner. Weil ich sie brauchte. Ich war schwerer, aufgeschwemmter aus dem Krankenhaus gekommen, als ich hineingekommen war, und niemand verstand, wie ich mich fühlte. Mum nicht. Katie nicht. Ami war jemand, dem ich vertrauen konnte.
    Doktor Richter beobachtete mich immer noch, professionelles Mitgefühl auf ihrem ebenmäßigen Gesicht. »Vergiss nicht«, erklärte sie, »dass das, was du ›Ami‹ nanntest, nur der Prozess war, durch den du deine Gedanken und Gefühle kontrollieren konntest.«
    Ein Prozess. Ist das alles, was Ami für mich war? Ich zwang mich zu nicken. »Ami war eigentlich ich selber«, gab ich pflichtbewusst von mir. Aber ich gestattete mir einen kleinen privaten Scherz. Ich, aber mit viel schöneren Haaren.
    Klick, klick . »Was glaubst du: wie wird es sein, wenn du wieder in der Schule bist?«
    Ich zupfte am Saum meiner Jeanstasche. Ich war diese ewige Fragerei so satt, und dass ich immer und immer wieder genau die Dinge heraufbeschwören musste, die ich eigentlich vergessen wollte. Wie die Schule. Ich wusste genau, wie es sein würde. Ich könnte mich ja tatsächlich geirrt haben, vielleicht hatte Katie wirklich nicht allen erzählt, was damals passiert war. Aber bei Miranda war das etwas anderes. Als ob sie widerstehen könnte, solche pikanten Gerüchte zu verbreiten.
    Ich wette, sie hatten alle einmal ordentlich höhnisch abgelacht. Freakazoid-Olive und ihre erfundene Freundin. Und warte, bis du hörst, für was sie Miranda hielt! Würde Lachlan mitlachen? Wenigstens konnte Doktor Richter mich nicht mit Fragen über ihn quälen – ich hatte ihn ihr gegenüber nicht ein einziges Mal erwähnt. Eigentlich erlaubte ich mir selbst nicht einmal, an ihn zu denken. Jedes Mal, wenn er sich in meine Gedanken drängte, schob ich ihn beiseite. Das war mehr, als ich aushalten konnte.
    »Eigentlich überlege ich, gar nicht wieder hinzugehen«, sagte ich. »Ich möchte die Schule wechseln.«
    Doktor Richter kratzte sich mit ihrem Kuli am Kinn. »Wovor hast du solche Angst, Olive? Hat es mit dem Mädchen zu tun, das du bezichtigt hast, eine Hexe zu sein? Diese Miranda?«
    Ich seufzte. »Shapeshifter.« Draußen konnte ich einen Gärtner die Hecke zurückstutzen hören, sie begradigen und all die unordentlichen Sprösslinge entfernen. »Ich habe sie Shapeshifter genannt, nicht Hexe.«
    Doktor Richter schlug ihre Beine übereinander. Glättete noch eine unsichtbare Falte. »Du weißt doch, dass das nicht wahr ist, Olive«, sagte sie leise. »So etwas wie Shapeshifter gibt es nicht. Diese Kopfschmerzen, von denen du berichtet hast, dass du sie jedes Mal bekamst, wenn Miranda in der Nähe war, hatten mit deiner Medikation zu tun, dazu kam

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