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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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noch der Stress. Und die sehr blasse Iris des Mädchens – nun, das kann an zu wenig Sonnenlicht liegen oder einem Vitaminmangel. Daraus, was ich bisher gehört habe, schließe ich, dass Miranda in der Vergangenheit nicht gut versorgt worden ist.«
    Ich umklammerte die Lehnen meines Stuhls. Sie waren nicht bloß blass , wollte ich schreien. Sie waren verspiegelt . Welcher Vitaminmangel könnte so etwas zur Folge haben? Aber natürlich konnte ich das nicht sagen. Ich nickte.
    »Ich möchte, dass du dich mal in Mirandas Lage versetzt«, sagte Frau Doktor Richter, schlug erneut die Beine übereinander und dann wieder auseinander. »Stell dir mal vor, wie es gewesen sein muss, dich diese Sachen über sie sagen zu hören, während ihre beste Freundin im Krankenhaus lag.«
    Ich erinnerte mich gut an Mirandas grinsendes Gesicht. Das Vergnügen, das sie dabei empfand, Ami vor meinen Augen zu zerstören.
    »Es muss schrecklich für sie gewesen sein«, sagte ich mit ausdruckslosem Gesicht. Doktor Richter blickte mich prüfend an und suchte nach Spuren von Sarkasmus. Ich versuchte, meine Züge glatt und undurchschaubar zu halten – noch eine praktische Fähigkeit, die ich von Doktor Richter abgeschaut hatte.
    »Du kannst vor Miranda nicht weglaufen, weißt du?«, sagte sie plötzlich.
    Mein Herz überschlug sich. »Was?«
    »Ich meine, wenn du wegläufst und in eine neue Schule wechselst, wirst du diese Episode nicht angemessen bewältigen. Du musst dich dem, was passiert ist, stellen.«
    Der Anblick von Doktor Richters in der Luft schwebendem Kuli ließ mich schweigen. Die Macht dieses Kulis war mir vertraut. Nur ein paar Bewertungen davon auf ein Blatt Papier gekritzelt, und ich würde hier noch monatelang bleiben müssen.
    »Sie ist jemand, den man nur sehr schwer mögen kann«, murmelte ich wenig überzeugend.
    Frau Doktor Richter senkte den Stift und faltete beide Hände darum. »Olive. Du musst der Tatsache ins Auge sehen, dass du falsche und sehr grausame Vorwürfe geäußert hast. Ich glaube, es ist am besten, wenn du in derselben Schule bleibst, bis du diese Sache entsprechend bewältigt und mit Miranda deinen Frieden gemacht hast. Ich habe deiner Mutter schon angeraten, dich nicht die Schule wechseln zu lassen.«
    »Das können Sie nicht tun!«, entfuhr es mir, und ich versuchte, so gut ich konnte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Mit Miranda Frieden schließen? Das war absolut unmöglich. Und wie konnte ich in eine Schule zurückkehren, wo jeder wusste , wie verrückt ich war? Das letzte Mal hatte ich Ami erfunden, damit sie mir half, zurechtzukommen. Aber dieses Mal würde ich auf mich allein gestellt sein.
    »Glaube mir, dies ist die beste und schnellste Art, dich zu heilen«, sagte Doktor Richter. »Wenn du dich erst mit der Idee abgefunden hast, wirst du sehen, dass ich recht habe.« Sie streckte die Hand aus und tätschelte mir den Arm. Ich nehme an, es sollte beruhigend wirken. »Jetzt schau doch nicht so besorgt, Olive. Du hast keinen Grund, dich zu schämen. Klinische Depression und Beklemmungen, und selbst temporäre Bewusstseinsspaltungen sind in der Pubertät nichts Ungewöhnliches. Ich bin sicher, dass auch einige deiner Schulfreunde ähnliche Probleme hinter sich haben. Es wird wieder gut. Besser als das. Deine neuen – wie nennt deine Mutter deine Medikation noch?«
    Ich rutschte in meinem Sitz zurück. »Vitamine«, murmelte ich.
    Doktor Richter nickte. »Deine neuen Vitamine werden helfen. Weniger Verfolgungswahn und … weniger Wahnvorstellungen. Die Kopfschmerzen sollten auch aufhören. Wenn das gelungen ist, werden wir uns darauf konzentrieren weiterzumachen. Ich weiß, dass du aufgebracht bist, aber du dürftest überrascht sein, was passiert, wenn du erst einmal diese irrationalen Gefühle gegenüber Miranda überwunden hast. Am Ende werdet ihr beide sogar noch Freundinnen.«
    Ich schnaubte nicht. Es kostete mich übernatürliche Kraft, aber ich schnaubte nicht. Einem kleinen Hauch Sarkasmus konnte ich allerdings nicht widerstehen. »Vielleicht«, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht werden Miranda und ich und Katie ja noch die dicksten Freundinnen.«
    Draußen erklang das plötzliche Brummen eines Rasenmähers. Ich hatte die letzten Wochen in einem anderen Teil der Klinik verbracht, aber ich hatte nichts von Katie zu sehen bekommen, geschweige denn von ihrem Idealgewicht-Vorbild. Ich konnte mir vorstellen, dass sie jetzt aufgepäppelt genug war, um nach Hause

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