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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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verlassen, wenn ich wieder zugelassen werde.«
    Reißverschluss auf, zu. Auf, zu.
    Ich war kurz davor, meiner Mutter dieses Scheißkissen aus der Hand zu reißen, als sie leise sagte: »Olive, ich habe sehr schlechte Nachrichten.« Sie räusperte sich. »Katie ist tot.«

FÜNFZEHN
    Katie Clarke war an Herzversagen gestorben. Das war jedenfalls die offizielle Version. Anscheinend hatte ihr rapider Gewichtsverlust das Herz so geschwächt, dass es plötzlich ausgesetzt hatte. Es war am frühen Abend passiert, während des Abendessens. Als die Ärzte in ihr Zimmer geeilt waren, war es zu spät gewesen. Nur Miranda war Zeugin ihres Sterbens gewesen.
    Wenigstens war sie nicht allein – das ist das, was alle wieder und wieder sagten.
    Der Gedenkgottesdienst sollte am kommenden Montag in der Schule stattfinden. Zuerst wollte ich hingehen, dann wieder nicht, dann entschied ich mich schließlich endgültig, dass ich gehen würde. Ich erschien mit Absicht zu spät – nachdem alle anderen schon in die Halle gegangen waren – und hielt mich im Hintergrund. Die ganze Schule war dort zusammengepfercht, und es war stickig wie in der Hölle. Ein paar Gesichter wandten sich zu mir um, als ich hereinkam, aber ich hielt meinen Blick starr geradeaus – nur für den Fall, dass eines der Gesichter das von Lachlan war. Aber inzwischen musste er alles wissen, wie jeder andere auch, über meine temporären Bewusstseinsspaltungen . Ich war noch nicht bereit für seinen Gesichtsausdruck, wenn er entdeckte, dass ich zurück war. Nun da er wusste, dass er die Schulirre angemacht hatte.
    Katies Familie saß ganz vorne. Katies Mum saß gerade wie eine Fahnenstange, aber ihr Vater hing auf seinem Platz, als hätte man die Luft aus ihm herausgelassen. Zwischen ihnen saß Katies kleine Schwester Hannah. Sie drehte sich andauernd auf ihrem Platz herum und musterte uns alle. Sie war, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, enorm gewachsen. Jetzt sah sie aus wie Katie, als wir anfangs Freundinnen geworden waren.
    Direkt hinter ihnen saß Miranda mit leicht hängendem Kopf. Aber was war anders an ihr? Ihr Haar sah ein wenig strähnig und ungewaschen aus. Aber das ist ja auch nicht weiter erstaunlich, hörte ich Doktor Richter in Gedanken sagen. Für jemanden, der gerade seine beste Freundin verloren hat. Es waren aber nicht nur ihre Haare – selbst die Art, wie sie dasaß, schien anders, genau wie die kleinen Bewegungen, die sie auf ihrem Sitz machte. Sie schien … traurig.
    Ein Gedanke tauchte in meinem Kopf auf. Einen, den Doktor Richter gar nicht gutgeheißen hätte. Sie tut nur so . Ich schob den Gedanken beiseite. Solch ein Kram half mir nicht, von diesem Ort wegzukommen.
    Miranda ist nicht gefährlich. Das musste von nun an mein Mantra werden. Sie ist nur ein normales Mädchen. Zickig, aber normal.
    Wir sangen ein Lied – es klang merkwürdig, weil niemand den Text kannte – und saßen stillschweigend da, während Goodbye England’s Rose über Lautsprecher gespielt wurde, obwohl Katie weder Engländerin gewesen war, noch besonders rosengleich. Dann stellte sich Mrs Deane auf die Bühne und sprach über Katie. Ausnahmsweise verzichtete sie auf ihren abgehackten, präzisen Redestil und sülzte und sülzte, welch ein wesentlicher Bestandteil unserer Schule Katie gewesen war. Sie sprach darüber, wie viele Leute Katie bewundert hätten. Wie wir alle zu ihr aufgesehen hätten. »Katie war ein Vorbild für so viele Schüler«, sagte sie.
    Es war, als würde man ein Märchen anhören – eins, das begann mit: »Es war einmal …«
    Ich driftete im Geiste ab, weil ich es nicht mehr aushielt. Aber in dem Moment, wo Mrs Deanes Stimme zu einem Hintergrundgeräusch wurde, kamen meine eigenen Erinnerungen an Katie hoch. Die Pyjamapartys in der Grundschule, wo wir die ganze Nacht Pläne für die Highschool schmiedeten und uns den Kopf zerbrachen, wie schrecklich es wäre, wenn wir nicht in derselben Klasse landen würden. Das erste Mal, als wir beide ganz allein ins Mercury gehen durften – als Katie so laut gelacht hatte, dass ihr das Popcorn aus dem Mund geflogen und in den Haaren des Jungen in der Reihe vor uns gelandet war. All die Schulevents, die wir zusammen organisiert hatten, und wie ich sie immer mit ihrer Obsession für Details aufgezogen hatte.
    Es war seltsam, an all diese Dinge zu denken. Sachen, an die ich seit Jahren nicht gedacht hatte. Es erinnerte mich daran, dass es für mich eine lange Zeit ein gutes Gefühl gewesen war, mit

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