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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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anmaßend)
beginnen sollte.
    Ich hatte mich gerade für » Schönste Principessa «
entschieden, da klingelte mein Telefon. Leise fluchend nahm ich den Hörer ab.
    Â»Ja, bitte?« sagte ich unwirsch.
    Â»Jean-Luc?« Ausnahmsweise war es nicht Soleil.
    Â»Was gibt’s denn, Marion?«
    Â»Bist du schlecht gelaunt?« fragte sie.
    Wenn ich etwas an Frauen hasse, dann ist es diese Eigenschaft, auf
Fragen einfach mit Gegenfragen zu antworten. »Nein, ich bin bestens gelaunt«,
entgegnete ich knapp.
    Â»Aber du klingst nicht so«, beharrte Marion. »Hast du was?«
    Ich seufzte. »Marion, bitte sag mir einfach, was du willst, ich bin
grad mitten in einer … Sache und muß mich konzentrieren.«
    Â»Ach so. Warum sagst du das nicht einfach?«
    Ich verdrehte die Augen. »Also?«
    Â»Diese Conti aus dem Hotel hat angerufen.« Ich hörte, wie sie
Kaugummi kaute. »Jemand hat nach dir gefragt.«
    Ich liebe die Präzision von Marions Auskünften. »Wer? War es
Monsieur Bittner?« Hatte der sich nicht auch noch am Wochenende mit mir treffen
wollen, um über Julien zu reden? Ich mußte mich wirklich mehr konzentrieren.
Die Dinge fingen an, aus dem Ruder zu laufen.
    Â» Non , nicht unser deutscher Freund. Es war
irgendeine Frau. Une dame ,
wie Mademoiselle Conti sagte.«
    Â»Und – hat die Dame einen Namen?« fragte ich entnervt.
    Â»Nein. Ja. Ich weiß nicht … Jetzt, wo du es sagst … Ich kann mich
nicht daran erinnern, daß Mademoiselle Conti überhaupt einen Namen genannt hat …«
    Marion schien zu überlegen, und ich seufzte. Natürlich hatte
Mademoiselle keinen Namen genannt. Warum auch? Was waren schon Namen, wenn man
in einem Hotel arbeitete?
    Â»Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter, aber mit den
Namen stehe ich auf Kriegsfuß«, lauteten die reuelosen Worte der
Rezeptionistin, wenn sie mal wieder dabei ertappt wurde, einen Namen verdreht
oder vergessen zu haben.
    Â»Am besten rufst du sie selbst an und fragst noch mal.« Marion war
zum Ende ihrer Überlegungen gekommen und hatte es plötzlich sehr eilig.
    Bevor sie das Gespräch beenden konnte, hörte ich einen
ohrenbetäubenden Lärm am anderen Ende der Leitung, dann ging die Türglocke.
Marion stieß einen begeisterten Schrei aus.
    Â»Ich muß jetzt auflegen. Bis gleich!«
    Kopfschüttelnd legte ich den Hörer zurück und beschloß, später
im Duc de Saint-Simon vorbeizuschauen und mir Mademoiselle Conti persönlich
vorzuknöpfen. Doch jetzt hatte ich Wichtigeres zu tun. Ich stellte alle
Telefone ab und überlegte.
    Wie schreibt man einem Menschen, den man nicht kennt, den man
nicht vor sich sieht, der einem einige wenige rätselhafte Hinweise gegeben hat,
die man vergeblich einzuordnen sucht, der aber so voller Liebe geschrieben und
so viele schöne Dinge über einen selbst gesagt hat, daß man ihn gerne
kennenlernen würde?
    Als
ich vor meiner kleinen Maschine saß und auf den leeren Bildschirm starrte, auf
dem außer »Schönste Principessa« nichts stand, fühlte ich mich wie ein
Romanschriftsteller vor dem berühmten weißen Blatt.
    Nicht daß ich Angst gehabt hätte, doch der Anspruch an mich selbst
wuchs von Minute zu Minute. Erst jetzt bemerkte ich, daß der Brief der
Principessa eine echte Falle für mich war, eine wunderschöne zugegebenermaßen,
aber ich hatte die Sache unterschätzt.
    Ich wollte nicht nur herausfinden, wer diese Dame war, die mich mit
kühnen Worten herausforderte, plötzlich wollte ich dabei auch noch geistreich
sein, charmant, schlagfertig, wortgewandt, ich wollte mich unter keinen
Umständen blamieren. Und ich war, man möge sich erinnern, nicht ohne Grund
etwas aus der Übung geraten, was das Schreiben von privaten Briefen betraf.
    Sieben Zigaretten und drei petit noirs später, die alle kalt wurden, bevor ich sie austrank, war »das Werk« vollendet.
Sekundenlang schwebte mein Zeigefinger über der Sendetaste, und ich gestehe,
ich war seltsam aufgeregt, als ich sie drückte.
    Ich hatte geantwortet. Mein Brief schwebte jetzt als Mail
unwiderruflich durch den endlosen virtuellen Raum, legte ganz viele oder
vielleicht auch nur ganz wenige Kilometer zurück, bis er mit
Lichtgeschwindigkeit sein Ziel erreichte.
    Das Abenteuer hatte begonnen.

6
    Betreff: Verführt!
    Schönste Principessa!
    Wer auch

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