Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Prießnitz im böhmischen Bad Gräfenberg. Noch heute besteht in Láznĕ Jesenik, Tschechien, dieser einstmals blühende Kurbetrieb, der den Begründer und Erfinder – u. a. des »Prießnitz-Wickels« – zu einem steinreichen Mann machte. Dort sei Cäcilie auf Wunsch der Familie und mit seinem Einverständnis gewesen, zusammen mit ihrer Mutter vier bis fünf Monate, alleine noch drei bis vier weitere Monate. Die Kur habe eine im Ganzen günstige Wirkung gezeigt. Den naturellen Geisteszustand konnte sie selbstverständlich nicht ändern.
Auch von Cäcilies Liebesverhältnis mit dem dänischen Militärrichter, dem »Auditeur« Ørstedt, der während der Besatzungszeit in der Hohlen Gasse einquartiert war, berichtet der Hausarzt, von der durch die Schwangerschaft erzwungenen Hochzeit in Kopenhagen, von Ørstedts und Cäcilies Tochter, die schon im ersten Lebensjahr verstarb an Krämpfen durch Gehirnreizung .
Fünf Jahre sind inzwischen vergangen. Im vorigen Frühjahre ward endlich die Trennung der Ehe auf Wunsch der Eltern höchsten Orts erwirkt. Kaltwasserbehandlung in Bädern und Umschläge seien nun fortgesetzt worden. Im Herbst habe Cäcilie anscheinend wegen aufkommender Kälte die Wasserbehandlung nicht fortgesetzt. Eine Verschlimmerung ihres Zustandes führten die Eltern auf das Beenden der Wasserkur zurück. Wülfke ist anderer Meinung: Es ist aber nur allzu wahrscheinlich, daß die Trennung der Ehe und das, was ihr nachergangen, der eigentliche Grund dieser Nachwirkung ist, indem die Neigung der Dame zu dem geschiedenen Manne keineswegs erloschen ist .
Ein Brief, den Cäcilie im Scheidungsjahr 1857 an ihren Ehemann schrieb, gibt Wülfke recht. Cäcilie hat ihr Schreiben mit einer schulmäßig schönen Blumenzeichnung geschmückt. Das eigenhändig geschriebene Schriftstück rückt Cäcilie in ihr eigenes Licht und erteilt Antwort auf die Frage »Welch Geistes Kind bist du?« Nebenher erzählt es vom Schicksal einer Frau des 19. Jahrhunderts, die dem Leistungssoll von Gesellschaft und Familien ausgeliefert ist, es nicht erfüllt und daran zerbricht.
Lieber Oerstedt! Wahrscheinlich wirst Du die Scheidungssachen abgeschickt haben, hast Du aber noch nicht, so bitte ich Dich diese noch liegen zu laßen.
Es ist mir immer, als wenn ein Geheimniß zwischen uns liegt und wenn dieses befestigt wäre wir noch glücklich miteinander leben könnten (wie glücklich wäre ich, wenn Du nicht der Sohn des Naturforschers wärst) es ist doch traurig eine geschiedene Frau zu sein wenn ich daran denke, wie traurig diese Jahre gewesen sind u. so daß ganze Leben hindurch. –
findest Du, daß ich recht habe, so komme dann bitte morgens her, mein Bruder ist dann nicht zu Hause damit wir dann Alles in Ruhe miteinander besprechen können(.) magst Du aber nicht, so laß die Scheidungssachen ruhig liegen, findest Du aber, das Scheidung am Besten ist so laß Dich scheiden. Deine Cäcilie.
Bitte lieber Oerstedt schreibe nicht wieder an Vater solltest Du Dich nicht scheiden lassen wollen(,) und Vater würde auf die Einwilligung dringen, so schreibe bitte an Vater einen freundlichen Brief und Du sollst sehen es wird Alles besser werden. Die Obige. Husum, d. 7ten März 1857.
Nach der Scheidung schreibt Cäcilie noch einmal an ihren geschiedenen Mann, wieder ziert eine Blumenzeichnung den Brief, auch gehen Liebesgaben an Ørstedt mit: Möge der Herr es Euch recht wohl ergehen laßen […]. Erkennt aus diesen kleinen Geschenken, daß ich Euch noch immer lieb habe, obgleich Ihr mich wohl vergessen habt. Eure Cäcilie.
Wülfke erlebt bei einem seiner letzten Besuche vor der Einlieferung Geistesstörungen schwerster Art bei Cäcilie. Sie habe zuletzt von Stimmen in sich geredet, die ihr dieß und das zu thun befehlen. Zum Beispiel hat sie auf einen solchen Befehl den Frühstücksteller entzweygeworfen . Cäcilie habe schon früher den Wunsch geäußert, in eine Heilanstalt geschickt zu werden. Ruhige Ordnung und Unterordnung würden ihr da gut tun, meint Wülfke, der drei Monate später stirbt.
Ein Jahr später meldet der Krankenbericht vom Februar 1859 Vater Storm, dass Cäcilie sich bisweilen mit Zeichnen und Spinnen beschäftigt, aber in dem Befinden Ihrer Frau Tochter leider keine Veränderung zum Besseren eingetreten ist. […] Sie geht ängstlich im Zimmer umher, hat die Neigung, sich zu entkleiden, spricht sehr verworren, ist ängstlich und bricht oft in ein lautes Schreien aus . Am 7. Juli 1863 schreibt Dr. Rüppell: Verehrter
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