Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
frustrierend finden, wie der andere sich bei Problemgesprächen verhält, so hängt das damit zusammen, dass Interpretationsregeln für ein bestimmtes sprachliches System auf ein anderes übertragen werden. Jungen und Männer gehen in Gesprächen über Probleme anders miteinander um als Frauen und Mädchen. Der Psychologe Bruce Dorval hat im Rahmen eines Forschungsprojekts Gespräche von Jugendlichen mit dem besten Freund bzw. der besten Freundin gefilmt. Warum Männer so völlig anders auf Probleme reagieren, wurde mir klar, als ich die Umschrift des Gesprächs zwischen zwei Zehntklässlern mit den Transkriptionen der Mädchengespräche verglich.
Bei der Auswertung der Videoaufnahmen stellte ich fest, dass die Jungen und Mädchen, die ihre Probleme miteinander besprachen, das auf unterschiedliche Weise taten – und ihre unterschiedlichen Vorgehensweisen erklären, warum erwachsene Männer und Frauen in ganz alltäglichen Gesprächen Schwierigkeiten haben. Die Mädchenpaare aus der sechsten und der zehnten Klasse sprachen jeweils ausführlich über die Probleme der einen Gesprächspartnerin. Das andere Mädchen drängte auf Einzelheiten, zeigte Verständnis und berichtete von ähnlichen Erfahrungen. Die folgenden kurzen Auszüge aus den Umschriften verdeutlichen, wie völlig unterschiedlich die Mädchen und Jungen sich verhalten.
Die Zehntklässlerinnen sprechen über Nancys Probleme mit ihrem Freund und ihrer Mutter. Es stellt sich heraus, dass Nancy und Sally beide an einem Ausflug teilgenommen haben. Nancy verließ plötzlich die Gruppe und machte sich auf den Heimweg, weil ihre Mutter darauf bestanden hatte. Sie war unglücklich, weil sie so früh gehen musste. Sally bestätigt sie in ihren Gefühlen, indem sie ihr zu verstehen gibt, dass auch die Freundinnen durch ihren frühen Aufbruch beunruhigt waren:
Nancy: Es war so schlimm . Ich konnte einfach nicht glauben, dass sie mich zwingen würde, nach Hause zu kommen. Ref 19
Sally: Ich fand es auch irgendwie merkwürdig, ich meine, kaum sind wir losgegangen, da rüstet Nancy zum Aufbruch: »Entschuldigt bitte, aber ich muss jetzt gehen.« (Beide lachen) Ich hatte keine Ahnung, was los ist, bis Judy kommt und mir zuflüstert (dabei wussten es sowieso alle): »Weißt du, dass Nancy nach Hause geht?« Und ich darauf: »Was?« (Beide lachen) »Nancy geht nach Hause.« Und ich: »Warum?« Darauf Judy: »Ihre Mutter verbietet ihr, noch länger zu bleiben.« Und ich (schneidet eine Grimasse): »Aha.« Sie kommt noch mal und meint: »Nancy ist weg.« Und ich dann: »Also, das ist ja wirklich reizend, sie hat mir nicht mal tschüs gesagt.« Und dann hat sie auf mich eingequasselt, bis ich schließlich gesagt hab (imitiert ein Brüllen): »Ist ja gut!« Judy war echt völlig fertig.
Sally reagiert auf die Probleme ihrer Freundin, indem sie bestätigt, dass Nancy sich zu Recht geärgert hat, weil ihre Mutter sie nicht länger bleiben ließ; sie gibt Nancy zu verstehen, dass ihre Freundinnen beunruhigt waren, weil sie so früh gegangen ist. Sieht man sich dagegen die Umschrift eines Gesprächs zwischen Jungen desselben Alters an, zeigt sich, wie ganz anders sie auf Probleme des Freundes eingehen.
Auch die Jungen der zehnten Klasse drücken tiefe Gefühle aus. Auch sie führen ein Problemgespräch, aber in anderer Form. Das Gespräch kreist nicht hauptsächlich um die Sorgen eines der beiden Beteiligten, die dann weiterverfolgt und in allen Einzelheiten besprochen würden. Stattdessen erzählt jeder von seinen eigenen Sorgen und banalisiert die Probleme des anderen.
In dem ersten Auszug aus dem Gespräch der Jungen erzählt Richard, dass er sich schlecht fühle, weil seine Freundin Mary noch keine Verabredung für ein bevorstehendes Tanzfest hat; Todd tut diese Besorgnis ab:
Richard: Es würde mir so leid tun, wenn sie zu Hause bleiben müsste.
Todd: Sie bleibt bestimmt nicht zu Hause, das ist doch lächerlich. Warum fragt sie nicht einfach jemanden?
Und doch ist Todd selbst bekümmert, weil er für diesen Tanzabend auch noch keine Verabredung hat. Er erzählt, dass er Anita nicht fragen will, und Richard bagatellisiert seinerseits Toms Problem.
Todd: Als sie gestern zu mir kam und ein Gespräch anfing, bin ich mir richtig schlecht vorgekommen.
Richard: Warum?
Todd: Ich weiß nicht. Ich glaub, ich hab einfach ein schlechtes Gewissen gehabt.
Richard: Das werd ich nie verstehen. (Lacht)
Weit davon entfernt, Verständnis zu zeigen, konstatiert Richard trocken das
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