Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Unterhaltungen, die zu Hause im privaten Kreis stattfinden, den Charakter eines öffentlichen Gesprächs annehmen können, kann auch ein öffentlich gehaltener Vortrag einem privaten Gespräch gleichen: zum Beispiel, wenn jemand einen Vortrag hält, der von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen handelt.
Bei der Vorstandssitzung eines eben flügge gewordenen Berufsverbandes machte Fran, die scheidende Präsidentin, den Vorschlag, dass der Verband den Brauch einführen sollte, den Präsidenten eine Rede halten zu lassen. Um ihren Vorschlag zu erklären und zu untermauern, erzählte sie eine persönliche Anekdote: Zur selben Zeit, als sie das Präsidentenamt bei dieser Organisation ausübte, hatte ihre Kusine dieselbe Funktion bei einem schon etablierteren Verband inne. Frans Mutter hatte mit der Mutter dieser Kusine telefoniert. Die Mutter der Kusine erzählte Frans Mutter, dass ihre Tochter sich gerade auf ihre Präsidentschaftsrede vorbereite, und fragte, für wann Frans Rede geplant sei. Fran war es peinlich, ihrer Mutter sagen zu müssen, dass sie keine halten würde. Das brachte sie auf den Gedanken, ob das professionelle Selbstverständnis des Verbandes sich nicht durch die Nachahmung etablierterer Organisationen steigern ließe.
Mehrere Männer des Komitees fühlten sich peinlich berührt von Frans Anspielung auf ihre persönliche Situation und fanden ihre Argumentation nicht überzeugend. Es schien ihnen nicht nur irrelevant, sondern auch unpassend, dass sie auf einem Vorstandstreffen von den Telefongesprächen mit ihrer Mutter erzählte. Fran hatte die Sitzung – also einen relativ öffentlichen Kontext – behandelt wie die Ausweitung eines privaten Treffens. Viele Frauen neigen dazu, eher persönliche Erfahrungen und Beispiele heranzuziehen, als abstrakt zu argumentieren – eine Tendenz, die verständlicher wird, wenn man weiß, dass sie sich in ihrem Sprachgebrauch vor allem am privaten Sprechen orientieren.
Celia Roberts und Tom Jupp beobachteten eine Lehrerkonferenz an einer weiterführenden Schule in England und fanden heraus, dass die Argumente der Frauen bei den männlichen Kollegen nicht ins Gewicht fielen, weil die Frauen dazu neigten, sich bei ihren Ausführungen auf eigene Erfahrungen zu stützen oder die Auswirkungen der Schulpolitik am Beispiel einzelner Schüler auszuführen. Die männlichen Teilnehmer der Konferenz argumentierten von einer ganz anderen Warte aus, indem sie kategorische Behauptungen über richtig und falsch aufstellten. Ref 33
Dieses unterschiedliche Verhalten lässt sich auch bei häuslichen Diskussionen feststellen. Ein Mann erzählte mir, dass er Zweifel an dem logischen Denkvermögen seiner Frau habe. Er erinnerte sich zum Beispiel, dass er im Verlauf eines Gesprächs einmal einen Artikel aus der New York Times erwähnt hatte, in dem die These vertreten wurde, dass die heutigen Studenten nicht mehr so idealistisch seien wie die Studenten der sechziger Jahre. Er hielt diese Behauptung für zutreffend. Seine Frau bezweifelte die These und begründete ihre Meinung damit, dass ihre Nichte und die Freunde ihrer Nichte sehr wohl Ideale hätten. Der Mann reagierte ungläubig und spöttisch auf die unlogische Argumentation seiner Frau; für ihn war es offenkundig, dass ein einzelnes persönliches Beispiel weder als Beweis noch als Argument herangezogen werden kann, sondern höchstens anekdotischen Wert hat. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass es sich hier nicht um einen Mangel an Logik, sondern um eine andere Logik handeln könnte.
Die Logik, die dem Weltbild dieser Frau zugrunde lag, hatte eher einen privaten Charakter – sie berücksichtigte und integrierte eigene Erfahrungen und setzte sie in Beziehung zu den Erfahrungen anderer. Die Logik, die der Mann für selbstverständlich erachtete, war ein mehr öffentliches Unterfangen – er sammelte Informationen, verschaffte sich einen Überblick oder argumentierte nach den Regeln formaler Logik, so, wie man es vielleicht auch bei einer wissenschaftlichen Untersuchung tun würde.
Ein anderer Mann beklagte sich über eine weibliche Diskussionsmethode, die er und seine Freunde als »Wanderdünen«-Methode bezeichneten. Diese Männer sind der Ansicht, dass Frauen pausenlos die Richtung ändern, wenn man mit ihnen diskutiert, während sie selbst sich um eine logische Argumentation bemühen und sozusagen Schritt für Schritt vorgehen, bis sie eine Lösung gefunden haben. Der Mann verwies auf den kurzen Filmausschnitt
Weitere Kostenlose Bücher