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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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müssen vielleicht die Gelegenheiten ändern, die wir ihnen bieten. Andere Völker haben nicht den eingewurzelten Hang zum Grauen und Gewaltsamen wie die Japaner. Ein grandioser Wasserfall. Eine bequeme Brücke. Ein schwindelerregender Abgrund. Das könnten Möglichkeiten sein. In Brasilien oder einer anderen Gegend in Südamerika dürfte sich ein solcher Platz finden lassen.«
    »Aber der Zulauf wäre sicher geringer.«
    »Es ist der Plan, der zählt, Irma. Es ist ausgesprochen schwierig, etwas zu erfinden, was es in der Geschichte der Welt noch nicht gegeben hat. Ich habe es fertiggebracht. Wenn meine Brücke, mein Wasserfall im Jahr vielleicht nur zehn Menschen einbringen, dann ist das einfach eine Zahl. Die Grundidee aber bleibt erhalten.«
    »Du bist wirklich ein Genie, Ernst. Die Leute lesen gern solche phantastischen Dinge in den Büchern Poes, Lautreamonts, de Sades, aber noch keiner hat den Mut besessen, diese Ideen zu verwirklichen. Es ist, als sei ein Märchen plötzlich Wirklichkeit geworden. Eine Art Disney-Land des Todes! Aber natürlich«, fügte sie schnell hinzu, »in einem großartigeren, poetischeren Maßstab.«
    »Gelegentlich werde ich die ganze Geschichte niederschreiben. Dann werden die Menschen vielleicht dankbar erkennen, was für ein Mann unter ihnen gelebt hat. Ein Mann, der nicht nur unbesungen und ungeehrt blieb, ein Mann«
    - Blofelds Stimme wurde schrill -, »den man sogar jagt und wie einen tollwütigen Hund erschießen will! Ein Mann, der alle Listen anwenden muß, um am Leben zu bleiben! Wenn ich meine Spuren nicht so gut verwischt hätte, wären sogar jetzt Spione hinter uns her, um uns umzubringen oder uns den Behörden zur offiziellen Ermordung nach ihren blödsinnigen Gesetzen zu übergeben! Aber, Irma«, die Stimme war wieder ruhiger, »wir leben in einer Welt der Narren, in der wahre Größe ein Verbrechen ist. Komm! Wir müssen jetzt die anderen Abteilungen inspizieren.«
    Sie wandten sich vom See ab und wollten weitergehen, als Blofeld plötzlich stehenblieb und genau auf Bond deutete. »Die Hütte dort in den Büschen. Die Tür steht offen! Ich habe den Männern doch immer wieder gesagt, daß solche Plätze abgeschlossen sein müssen. Es ist ein ideales Versteck für einen Spion oder einen Flüchtling. Ich werde mich vergewissern.«
    Bond schauderte. Er kauerte sich auf den Boden und zog weitere Säcke zum Schutz über sich. Die rasselnden Schritte kamen näher, waren in der Hütte. Bond hörte den Mann nur wenige Meter entfernt atmen, spürte seine forschenden Augen. Ein metallisches Klirren, und der Sackhaufen erbebte unter den mächtigen Hieben von Blofelds Schwert. Immer wieder sauste das flache Schwert nach unten, und Bond biß die Zähne zusammen, als die Schläge auf seinen Rücken niederprasselten. Aber dann schien Blofeld zufrieden zu sein, die rasselnden Schritte entfernten sich. Bond stieß den Atem zischend aus. Er hörte Blofelds Stimme. »Es war nichts; aber erinnere mich daran, daß ich Kono auf unserer morgigen Runde einen Verweis erteile. Die Hütte muß geräumt werden und ein ordentliches Schloß bekommen.« Dann verlor sich das Geräusch ihrer Schritte, und Bond befühlte stöhnend seinen Rücken.
    Bond kniete sich hin, brachte sein Versteck in Ordnung und massierte dabei den schmerzenden Rücken. Dann spuckte er den Staub aus, der sich auf seine Zunge gelegt hatte, nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, überzeugte sich mit einem Blick durch den Spalt, daß draußen alles ruhig war, und legte sich hin, um noch einmal die Worte Blofelds zu überdenken.
    Er war zweifellos verrückt. Noch vor einem Jahr hätte der beherrschte, ruhige Mann - so hatte Bond ihn in Erinnerung - niemals ein derart hysterisches Geschrei angestimmt. Und wie stand es mit der Kaltblütigkeit, mit dem absoluten Vertrauen, die seine Pläne immer getragen hatten? Sie schienen zum großen Teil verschwunden zu sein, vielleicht wegen der beiden entscheidenden Mißerfolge, die hauptsächlich auf sein, Bonds, Konto kamen. Aber eins war klar
    - das Versteck war wertlos geworden. Heute nacht mußte es getan werden! Noch einmal ging Bond seinen Plan durch. Wenn er in das Schloß eindringen konnte, würde er sicher eine Möglichkeit finden, Blofeld zu töten. Aber er war sich auch im klaren darüber, daß er dabei selbst umkommen würde. Duke et decorum est . . . und wie der Blödsinn sonst noch heißen mochte! Aber dann dachte er an Kissy und war sich seiner Furchtlosigkeit nicht mehr so

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