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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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geschäftliche Verabredung, auf den Rand der Fumarole zu, stieg vorsichtig über die Warnsteine und schritt weiter. Langsam sank er in den klebrigen grauen Schlamm, kein Laut kam dabei über seine Lippen. Als die infernalische Hitze seine Leistengegend erreichte, stieß er ein krächzendes »Ah!« aus, und man sah die Goldplomben seiner Zähne, als sein Kopf im Todeskampf nach hinten fiel. Dann war er verschwunden; nur der Zylinder tanzte noch auf einer kleinen Schlammfontäne, die in kurzen Abständen aufstieg. Dann schrumpfte auch der Hut unter der Hitze zusammen und verschwand.
    Bond kämpfte gegen eine aufsteigende Übelkeit. Ein ehrbarer Beamter war zu seinen ehrbaren Vorfahren eingegangen - seine unbekannte Sünde war gesühnt, während seine brennenden Knochen langsam in den Magen der Erde versanken. Und auf Blofelds Rechenbrett des Todes konnte man eine weitere Kugel verschieben. Warum vernichtete die japanische Luftwaffe diesen Ort nicht, warum jagte sie das Schloß und den vergifteten Garten nicht mit Napalmbomben in die Luft? Wie konnte dieser Mann weiterhin den Schutz einiger Botaniker und Wissenschaftler genießen? Und jetzt war er, Bond, ganz allein in dieser Hölle, um die schmutzige Arbeit zu erledigen - fast mit bloßen Händen. Es war hoffnungslos! Er hatte kaum eine Chance.
    Bond verwünschte sein Los, Tiger und ganz Japan, dann setzte er seinen Weg fort und schlich weiter an der Mauer entlang, bis er wieder zu der Hütte zurückkam. Er blickte sich noch einmal genau um, ehe er weiterging. Er konnte ein Stück des Sees sehen, der etwa zwanzig Meter entfernt lag. Er schimmerte bleifarben in der aufsteigenden Dämmerung. In dem wallenden Dampf flitzten irgendwelche großen Insekten hin und her. Es waren rosa Libellen. Hin- und hertanzend. Aber natürlich. Der haiku von Tigers sterbendem Agenten!
    Bond ging in die Hütte, schlängelte sich geschickt zwischen Maschinen und Schubkarren durch, zog einige Säcke über sich und fiel in einen unruhigen Schlaf voller Geister, Dämonen und Schreie.
    17
    Die geträumten Schreie waren in wirkliche Schreie übergegangen, als Bond vier Stunden später aufwachte. In der Hütte war es still. Bond richtete sich vorsichtig auf den Knien auf und spähte durch einen breiten Spalt in der wackeligen Bretterwand hinaus. Ein schreiender Mann - nach seinem zerrissenen blauen Baumwollanzug zu schließen, ein japanischer Bauer - rannte am Seeufer entlang. Vier Wächter verfolgten ihn lachend und rufend, als ginge es um ein Versteckspiel. Sie trugen lange Stöcke, und jetzt blieb einer von ihnen stehen und schleuderte seinen Stock zielsicher nach dem Mann. Er traf dessen Beine und brachte ihn zu Fall. Mühsam richtete der Getroffene sich halb auf und hob flehend die Hände zu seinen Verfolgern empor, die lachend um ihn herumstanden - untersetzte Männer in hohen Gummistiefeln, mit unheimlich aussehenden schwarzen maskos über dem Mund und mit dem gleichen häßlichen flachen schwarzen Lederhut wie ihn der Spion im Zug getragen hatte. Sie stießen mit ihren Stöcken nach dem Mann, wobei sie heiser und spöttisch auf ihn einschrien. Dann beugten sie sich wie auf Befehl hinunter, packten ihn an Armen und Beinen, hoben ihn hoch, schwangen ihn ein-, zweimal hin und her und warfen ihn in den See. Sofort setzte das schreckliche Brodeln der Wasseroberfläche ein, und der Mann, der jetzt wieder schrie, griff sich mit beiden Händen ins Gesicht und schlug um sich, als wolle er versuchen, das Ufer zu erreichen; doch die Schreie wurden schnell schwächer und verstummten schließlich ganz, als sein Kopf untertauchte und ein roter Fleck sich langsam ausbreitete.
    Die Wächter beobachteten das Schauspiel vom Ufer aus und krümmten
    sich vor Lachen. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß der Spaß vorbei war, wandten sie sich um und kamen auf die Hütte zu. Bond sah die Lachtränen auf ihren Wangen glitzern.
    Er schlüpfte in sein Versteck zurück und hörte ihre lärmenden Stimmen und ihr Lachen nur wenige Meter entfernt, als sie die Hütte betraten, ihre Rechen und Schubkarren herauszogen und sich an ihre Arbeit machten. Eine Zeitlang hörte Bond ihre Zurufe quer durch den Park. Dann ertönte vom Schloß das durchdringende Läuten einer Glocke, und die Männer verstummten. Bond sah auf die billige japanische Armbanduhr, die Tiger besorgt hatte. Neun Uhr. War das der offizielle Arbeitsbeginn? Wahrscheinlich. Die Japaner erscheinen gewöhnlich eine halbe Stunde zu früh zur Arbeit und gehen

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