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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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eine halbe Stunde zu spät, um bei ihrem Arbeitgeber Achtung zu gewinnen und um Interesse und Dankbarkeit für ihre Arbeit zu beweisen. Später, so nahm Bond an, würde es eine einstündige Mittagspause geben. Arbeitsschluß war voraussichtlich um sechs. Er würde also erst ab sechs Uhr dreißig ungestört sein. Inzwischen mußte er mehr über die Aufgabe der Wächter herausfinden - eine hatte er ja schon miterlebt: das Aufstöbern und die endgültige Beseitigung von Selbstmördern, die sich anders besonnen oder während der Nacht den Mut verloren hatten. Bond zog leise den Reißverschluß seines Beutels auf, kaute an einer Scheibe Dörrfleisch herum und nahm einen kleinen Schluck aus seiner Wasserflasche. Jetzt eine Zigarette!
    Eine Stunde später hörte er das Scharren von Füßen auf dem Kiespfad auf der anderen Seite des Sees. Er schaute durch den Spalt hinaus. Die vier Wächter waren in einer Reihe angetreten und standen stramm. Bonds Herz schlug schneller. Das sah nach einer Inspektion aus. Machte Blofeld seine Runde, um sich über das Ergebnis der Nacht berichten zu lassen?
    Bond schielte angestrengt nach rechts zum Schloß hin, doch verdeckten ihm weiße Oleandersträucher die Sicht. Dieser harmlose Strauch mit seinen herrlichen, üppigen Blüten wird in vielen Teilen der Tropen als tödliches Gift für den Fischfang verwendet.
    Aber dann kamen auf dem Pfad langsam zwei Gestalten in sein Blickfeld, und Bond ballte angesichts seiner Beute erregt die Fäuste.
    Blofeld, im blitzenden Kettenpanzer und phantastisch gezackten und geschwungenen Helm, dessen Visier geschlossen war, sah wie eine Figur aus einer Wagneroper oder - wegen des orientalischen Stils seiner Rüstung - aus einem japanischen Kabuki-Spiel aus. Seine gepanzerte rechte Hand ruhte auf einem langen blanken Samuraischwert, während er sich mit der linken bei seiner Begleiterin eingehängt hatte; sie war eine kleine, untersetzte Frau mit dem Gang einer Gefängniswärterin. Ihr Gesicht wurde völlig durch einen schauderhaften Hut aus dunkelgrünem Stroh und mit einem dichten, bis auf die Schultern reichenden schwarzen Schleier verdeckt. Aber es gab keinen Zweifel! Bond hatte diese gedrungene Silhouette, die jetzt mit einer Regenhaut und hohen Gummistiefeln bekleidet war, zu oft in seinen Träumen gesehen. Das war sie! Das war Irma Bunt!
    Bond hielt den Atem an. Wenn sie um den See herum auf seine Seite kamen, genügte ein heftiger Stoß - und der gepanzerte Mann würde im Wasser zappeln! Aber konnten die Piranhas durch die Ritzen der Rüstung an ihn herankommen? Unwahrscheinlich! Und wie sollte er, Bond, entfliehen? Nein, das war keine Lösung.
    Die beiden Gestalten hatten die Reihe der vier Männer fast erreicht. In diesem Augenblick fielen die Wächter auf die Knie und berührten mit der Stirn den Boden. Dann sprangen sie schnell auf und standen wieder stramm.
    Blofeld hob das Visier und sprach einen der Männer an, der ehrerbietig antwortete. Bond bemerkte zum erstenmal, daß dieser Wächter einen Gürtel mit einer Pistolenhalfter trug. Bond konnte nicht verstehen, in welcher Sprache sie sich unterhielten. Es war unmöglich, daß Blofeld Japanisch gelernt hatte. Englisch oder Deutsch? Wahrscheinlich letzteres - bei irgendeiner Aufgabe als Kontaktmann während des Krieges erlernt. Der Mann lachte und deutete auf den See, wo ein zusammengesunkener blauer Anzug sich unter dem Angriff der gierigen Piranhas leicht hin und her bewegte. Blofeld nickte beifällig, und die Männer knieten wieder nieder. Blofeld hob zum Dank kurz die Hand, klappte sein Visier herunter, und das Paar schritt mit königlicher Würde weiter.
    Bond beobachtete die Wächter aufmerksam, um festzustellen, ob sie, sobald sie wieder auf den Füßen standen, hinter dem Rücken ihres Herrn irgendwelche heimlichen Anzeichen von Verachtung oder Heiterkeit erkennen ließen. Aber er konnte nichts entdecken. Die Männer traten nacheinander aus der Reihe und eilten diszipliniert zu ihrer Arbeit zurück. Bond erinnerte sich an Dikko Hendersons anschauliches Beispiel für die automatische, ameisenhafte Unterwürfigkeit der Japaner gegenüber Disziplin und Autorität, die zu einem der größten Verbrechen des Jahrhunderts geführt hatte. Wenn der liebe Dikko doch jetzt hier wäre. Welchen Auftrieb würden seine Fäuste und seine überschäumende Lebensfreude diesem wahnsinnigen. Unternehmen verleihen!
    Das Verbrechen hatte sich, wie Dikko erzählte, in einer bescheidenen Vorstadtfiliale der

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