Du lebst nur zweimal
belastenden Inhalt seiner Taschen aus. Blofeld, in einem eindrucksvollen schwarzen Seidenkimono, auf dem sich ein goldener Drache schlängelte, lehnte am Kaminsims, unter dem ein japanisches Kohlenbecken schwelte. Man konnte ihn nicht verwechseln: die hohe Stirn, der spitze Mund, jetzt von einem grauschwarzen Schnurrbart verdeckt, die dichten weißen Haare, die er sich für seine Rolle als Monsieur le Comte de Bleuville hatte wachsen lassen, die an Pistolenmündungen erinnernden schwarzen Augen. Neben ihm Irma Bunt in der Aufmachung einer hochgestellten japanischen Dame. Das dicke kantige Gesicht, das zum Knoten zusammengedrehte graue Haar, der verkniffene Mund, die hellbraunen, fast gelben Augen! Bei Gott, dachte Bond, hier sind sie also! In Reichweite! Sie wären beide schon tot, wenn er diesen unentschuldbaren Fehler nicht begangen hätte. Gab es noch eine Möglichkeit, den Spieß umzudrehen? Wenn nur der Schmerz in seinem Kopf aufhören würde!
Blofelds Schwert lehnte an der Wand. Er nahm es, ging langsam zu Bonds Habseligkeiten und stocherte mit der Schwertspitze darin herum. Er angelte den schwarzen Anzug heraus. »Und was ist das, Kono?« fragte er auf deutsch.
Der Anführer der Wächter antwortete in der gleichen Sprache. Seine Stimme klang unsicher, und seine Schlitzaugen richteten sich mit einem gewissen Respekt auf Bond, dann sah er wieder weg. »Es ist ein Ninja-Anzug, Herr Doktor. Das sind die Leute, die die uralte, geheime Kunst des Ninjutsu ausüben. Ich weiß nur wenig darüber. Sie beherrschen die Fähigkeit, sich lautlos zu bewegen, sich unsichtbar zu machen und ohne Waffen zu töten. Die Ninja waren in Japan sehr gefürchtet, und ich hatte keine Ahnung, daß es sie noch gibt. Dieser Mann hier wurde zweifellos geschickt, um Sie zu ermorden. Ohne den geheimen Mechanismus des Ganges wäre es ihm wahrscheinlich gelungen.«
»Und wer ist er?« Blofeld sah Bond scharf an. »Er ist groß für einen Japaner.«
»Die Männer aus den Bergwerken sind oft groß, Herr. Er hat ein Papier bei sich, das ihn als Taubstummen ausweist. Und andere, in denen er als Bergarbeiter aus Fukuoka bezeichnet wird. Allerdings glaube ich das nicht. Er hat ein paar abgebrochene Fingernägel, aber es sind nicht die Hände eines Bergarbeiters.«
»Ich glaube es genausowenig. Aber das werden wir schnell herausfinden.« Blofeld wandte sich an die Frau. »Was meinst du, meine Liebe? Du hast eine gute Nase für solche Dinge - weiblicher Instinkt!«
Irma Bunt stand auf und stellte sich neben ihn. Sie sah Bond durchdringend an und umkreiste ihn dann langsam. Als sie auf seine linke Seite kam, stieß sie leise und erschrocken hervor: »Du lieber Gott!« Sie ging zu Blofeld zurück, starrte Bond entsetzt an und flüsterte heiser: »Das ist doch unmöglich! Aber er ist es! Die Narbe auf der rechten Wange! Das Profil!« Zu Blofeld gewandt, erklärte sie entschieden: »Das ist der englische Agent. Das ist Bond, James Bond, dessen Frau du getötet hast. Der Mann, der sich als Sir Hilary Bray ausgab.« Und leidenschaftlich fügte sie hinzu: »Ich kann es beschwören! Du mußt mir glauben, Ernst!«
Blofelds Augen verengten sich. »Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Aber wie ist er hierhergekommen? Wie hat er mich gefunden? Wer hat ihn geschickt?«
»Der japanische Geheimdienst. Sie arbeiten sicher mit dem Secret Service zusammen.«
»Das glaube ich nicht! In dem Fall wären sie mit einem Haftbefehl hier aufgetaucht. Dabei sind mir zu viele unbekannte Faktoren. Wir müssen mit großer Vorsicht vorgehen und die volle Wahrheit aus dem Mann herausbringen. Vor allem müssen wir sofort feststellen, ob er wirklich taubstumm ist. Das ist der erste Schritt. Der Befragungsraum sollte uns das ermöglichen. Aber vorher müssen wir ihn weichmachen.« Er wandte sich an Kono. »Kazama soll ihn sich vornehmen.«
19
Es befanden sich nun zehn Wächter im Raum. Sie standen hinter Kono in einer Reihe an der Wand und waren alle mit langen Stöcken bewaffnet. Kono gab einem von ihnen einen Befehl. Der Wächter lehnte seinen Stock schräg gegen die Wand und trat vor. Ein mächtiger vierschrötiger Bursche mit völlig kahlem Kopf, der wie eine reife Frucht glänzte, und Händen wie Schmiedehämmer. Breitbeinig pflanzte er sich vor Bond auf; die Lippen entblößten höhnisch grinsend die schwarzen Zähne. Dann sauste seine rechte Hand seitlich gegen Bonds Kopf und traf ihn mit ungeheurer Wucht genau auf die Wunde, die Bond sich beim Fall zugezogen
Weitere Kostenlose Bücher