Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
stundenlang in Konferenzen darüber diskutiert und am Ende abgestimmt, ob Kinder sich im Unterricht ungefragt ein Hustenbonbon in den Mund stecken dürfen. So wird eigenverantwortliches Handeln unterbunden, und Lehrer wie Schüler stehen unter permanenter Aufsicht. Schule ist, völlig konträr zur marktwirtschaftlichen Überzeugung, eine Art sozialistisches Gebilde: Hier macht keiner, was er will!
Ist es das, was Eltern wollen: ein unmündiges Kind, um zu Hause Konfrontationen zu vermeiden? Unterbindet Schule eigenverantwortliches Handeln und selbstständiges Denken, weil sie sich vor den Konsequenzen fürchtet? Sind angepasste Schüler für den Lehrer vielleicht angenehmer, weil er dann nicht über sich selbst nachdenken muss? Aber der Preis dafür, dass Menschen ihre Ecken und Kanten abtrainiert werden, ist hoch! Man macht sich abhängig, wenn man sein Leben nicht selbst in die Hand nehmen darf. Wer sich in Abhängigkeit begibt, macht sich für andere zum Spielball und wird nach Bedarf ausgetauscht. Genau, wie es im Berufsleben tagtäglich passiert. Wenige bereichern sich auf Kosten vieler brav Arbeitender. Und die Mehrzahl resigniert, weil sie von klein auf gelernt hat, dass nur der akzeptiert wird, der sich anpasst. Welch ein folgenschwerer Irrtum! Blinder Gehorsam geht immer zu Lasten von Kreativität und Spaß. Wo Menschen sich nicht mehr begeistern können oder dürfen, gibt es wenig zu lachen, die Langeweile kehrt ein. Blühendes Leben erstarrt und verkümmert. Ist das die Alternative, die wir unseren Kindern empfehlen wollen?
Warum darf ein Lehrer nicht selbst in der Klasse mit den Schülern eigene Regeln verabreden? Kleben wir da noch an veralteten Glaubenssätzen, dass sich ein Kind nur dann bestmöglich entwickeln kann, wenn alle einer Meinung sind und an einem Strang ziehen? Aber die Menschen sind unterschiedlich, sie lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Es ist zutiefst verletzend, Menschen ständig in ihrer Entfaltung zu hindern. Jeder Lehrer sollte mit seinen Schülern so arbeiten, wie er es für richtig hält. So interessiert mich beispielsweise nicht, ob meine Schüler ihr Handy im laufenden Schulbetrieb benutzen oder nicht, solange wir einander dabei nicht stören, und sie dem Unterricht auch noch folgen können. Ich kann mich auch nicht an eine einzige Unterrichtsstunde erinnern, die darunter gelitten hätte. Schüler, denen man einen sorgsamen Umgang mit dem Handy zutraut, die simsen auch nicht ständig unter der Schulbank. Es ist auch der Respekt vor dem Heranwachsenden, dass ich ihm verantwortliches Handeln zutraue und ihn nicht für unmündig erkläre. Letztendlich müsste ich mich als Lehrer übrigens auch fragen, ob vielleicht mein Unterrichtsstil zu wünschen übrig lässt, wenn alle sich nur noch ihrem Handy widmen würden.
Das Festhalten an starren Regeln, die nicht hinterfragt werden, ist meiner Meinung nach eine der größten Hürden, die es zu überwinden gilt. Schauen wir uns den »Tatort« Schule noch genauer an, dann können wir erkennen, dass ein Ausbrechen aus diesem starren System fast so unmöglich ist wie der aus einer geschlossenen Anstalt.
Warum wir gegen Wände laufen
Stellen wir uns nun einmal die Institution Schule als einen Stuhl vor. Die vier Stuhlbeine sind: Schulleitung, Eltern, Lehrer, Bildungspolitiker. Viele neugierige, einzigartige Heranwachsende
nehmen eine Zeit lang auf diesem Stuhl Platz, um sich auf ihre Zukunft vorzubereiten. Das Allerwichtigste ist, dass der Stuhl sie sicher trägt, denn wer fällt, der kann sich verletzen. Blessuren vernarben, doch manche Narbe verheilt nie, sie verblasst nur. Deshalb ist wichtig, dass der Stuhl robust und stabil ist, dass sich der Schüler auf seine Schule verlassen und in einem geschützten Rahmen lernen kann. Aber sehr, sehr häufig wackelt die Sitzgelegenheit. Und zwar bereits, wenn nur ein Stuhlbein locker ist.
Schauen wir uns anhand eines Berichtes aus der Praxis an, was die Stabilität dieses Stuhls gefährden kann. Das Fallbeispiel dokumentiert eine Situation, die sich so ähnlich jeden Tag an vielen Schulen wiederholt. Es zeigt, wie die Beteiligten sich aus der Verantwortung stehlen, lieber anklagen und sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Würden alle konstruktiv aufeinander zugehen und gemeinsam Veränderungsprozesse einleiten, statt sich mit der Schuldfrage aufzuhalten, dann gäbe es viel weniger geschädigte Schüler.
PRAXISBEISPIEL ______________________________________
Zur
Weitere Kostenlose Bücher