Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
eigenes Schülerverhalten weckten. Schon das verschmitzte Grinsen und die lachenden Augen der Schüler bestätigten meine Vorahnungen: Hinter der Ausrede, etwas nicht zu können, steht in erster Linie der Selbstbetrug und ein Sicherheitsgedanke: Man will seine bequeme Komfortzone nicht verlassen. Sie bietet sich hervorragend an, wenn man seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, keine Lust auf neue Lerninhalte hat, wenn man nicht aufgepasst hat und etwas verbergen will. Man will einfach seine Ruhe haben und sich nicht länger mit dem Thema auseinandersetzen. Dann beklagt man sich eben, dass man etwas nicht verstanden habe, und schon hat man in der Schule seine Ruhe. Das funktioniert so gut, dass es bei Schülern zur Standardaussage für eigenes Vermeidungsverhalten geworden ist.
Der Schüler könnte stattdessen auch sagen »Ich will nicht«. Das wäre sich selbst gegenüber die ehrlichere Aussage. Die wenigen Lehrer, die sich dem Spiel entziehen und nach der Devise leben »Wer will, der kann, wer nicht will, der muss«, vermiesen dem Schüler natürlich die »Tour«. Darauf gilt es, entsprechend zu reagieren. Wunderbar, wenn man dann Eltern hat, die einem auf den Leim gehen und alles daran setzen, den Lehrer in seine Schranken zu verweisen.
»Ob du glaubst, du kannst etwas oder du kannst es nicht –
in beiden Fällen hast du Recht.«
(Henry Ford)
Das Gehirn arbeitet wie ein PC: Es liefert einem das, was man selbst eingibt. Dabei macht es keine Fehler. Jeder bestimmt also selbst die Denkrichtung und die Auswirkungen auf sein Selbstvertrauen.
Deshalb ist es besser, auszuprobieren, was gelingen könnte. Zu analysieren, was denn nun genau nicht gekonnt wird, was zum Wissen noch fehlt. Herauszubekommen, ob etwas Training zum gewünschten Ergebnis führen würde. Zu ermitteln, welche Informationen noch beschafft werden müssten... Das alles sind sehr selbstbestimmte Handlungen, die den Menschen aus der Passivität reißen und zur Aktivität zwingen. Dummerweise verlernen die Schüler im Laufe ihres Lebens diese Betriebsamkeit. Und genau das endet dann in Ängsten vor dem Scheitern, vor der Anstrengung, vor der Bewertung durch andere. Ein Mensch, der in dieser Hinsicht geschont wird, wird entmündigt. Er wird zu einem Menschen, der von seinen Ängsten beherrscht wird. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, den Schülern zu vermitteln: Kann ich nicht – das gibt es nicht!
EXTRA ______________________________________
Ideen für Schüler: Kein Mensch kann nichts. Schau in jeder Situation auf das, was geht, und nicht auf das, was nicht geht. Was nicht geht, bedarf für den Moment auch keiner weiteren Aufmerksamkeit.
Ideen für Lehrer: Betonen Sie die Stärken Ihrer Schüler. Lassen Sie sie selbst Lösungen für ihre Probleme finden, indem Sie ihnen sagen, sie sollten sich mal vorstellen, sie hätten ihre Probleme bereits gelöst und würden Ihnen nun mitteilen, wie sie das denn getan haben.
Ideen für Eltern: Je mehr Sie selbst als Problemlöser Ihres Kindes agieren, desto unselbstständiger wird es. Fördern Sie seine Mitarbeit, indem Sie es nach Lösungswegen suchen lassen. So kann Ihr Kind lernen, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen.
»Ich trau mich nicht!«
Seit Jahren plagt mich die Frage, warum sich im Unterricht so ungern jemand meldet. Selbst auf die Frage, welches Lieblingsgericht jeder hat, bekämen Sie nur mühselig eine Antwort. Ich mag nicht in die übliche Diskussion einsteigen, dass Schüler heute eher Konsumenten denn Akteure sind. Letztendlich bringen uns diese Äußerungen nicht weiter, wir wollen schließlich nicht ernsthaft das Fernsehen und den PC wieder abschaffen.
Ich habe es vorgezogen, einmal mit mir selbst in Klausur zu gehen, habe mich gefragt, in welchen Momenten ich mich als Schülerin geweigert habe, mich im Unterricht zu melden. Dabei erinnerte ich mich an drei Ursachen: Entweder ich wusste nichts oder ich hatte Angst vor dem Lehrer oder ich hatte schlicht kein Interesse am Thema. Zu meiner Schulzeit, zumindest in der Oberstufe, geschah es sehr häufig, dass sich im jeweiligen Kurs eine rege Diskussion entwickelte. Heute müssen Sie den Schülern jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Warum?
Ich pflege mich regelmäßig an die besonders schüchternen Schüler zu wenden und sie zu fragen, warum sie nicht ihren Arm heben. In 90 Prozent der Fälle bekomme ich zur Antwort, dass sie sich nicht trauen würden und Angst hätten, etwas falsch zu machen. Hakt man etwas genauer nach,
Weitere Kostenlose Bücher