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Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition)

Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition)

Titel: Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kitz
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großen Internetproviders, eines wichtigen Mitglieds unseres Verbandes. Wir arbeiteten gerade an einer gemeinsamen Stellungnahme für ein Bundesministerium.
    Der Verband, der auf meinem Hausausweis stand, hatte über 1.000 Mitgliedsunternehmen, darunter große Weltkonzerne, aber auch sehr viele mittelständische und kleinere Unternehmen. Meine Aufgabe bestand darin, alle diese Unternehmen mit einer gemeinsamen Stimme sprechen zu lassen: der Stimme der Branche. Sie verkündet die »abgestimmte Branchenmeinung«.
    Die »abgestimmte Branchenmeinung« ist ein wertvolles, schlagkräftiges Werkzeug, denn Ministerien und Abgeordnete greifen in der »Sachauseinandersetzung« dankbar auf sie zurück. Wie wir inzwischen festgestellt haben, ist diese »Sachauseinandersetzung« zwar nur ein Schaulaufen – die inhaltlichen Argumente beeinflussen am Ende selten jemanden wirklich im politischen Prozess. Aber es gehört eben zum »demokratischen Prozess«, sie wenigstens der Form halber abzufragen und »auszutauschen«. Und statt mit über 1.000 Unternehmen zu sprechen und deren Aussagen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen, brauchen sie nur noch mit einem Ansprechpartner zu reden, um die Form zu wahren: mit dem Branchenverband. Zu den Themen, die ich innerhalb des Branchenverbandes verantwortete, kam also niemand an mir vorbei. Von allen Seiten wurde ich gefragt, was die Branche dazu sagte. Und ich durfte niemals ohne Antwort dastehen.
    Dafür musste ich mit den 1.000 Unternehmen reden. Jedes Mal, wenn »die Branche« sich äußern wollte oder sollte.
    Wer schon einmal einen Familienausflug mit vier Personen – großen und kleinen und unterschiedlichen Charakteren und Interessen – so organisiert hat, dass am Ende alle zufrieden waren, der kann sich vorstellen, wie schwer es ist, eine Familie mit über 1.000 Mitgliedern und unterschiedlichen Charakteren sowie Interessen unter einen Hut zu bringen in Angelegenheiten, bei denen es oft um nicht weniger geht als die Grundlagen ihrer Geschäftstätigkeit.
    Dazu unterhalten die Verbände »Arbeitskreise«. Die Arbeitskreise behandeln bestimmte Themen, wie zum Beispiel Steuern oder Wettbewerbsrecht. Jedes Unternehmen im Verband kann den Arbeitskreisen beitreten, für die es sich interessiert. Die Arbeitskreise veranstalten Sitzungen, zu denen die Unternehmen ihre Vertreter schicken. Das sind oft Mitarbeiter aus der Abteilung »Government Relations« oder direkt aus der Rechtsabteilung. Oft kommen aber auch die jeweils betroffenen Fachabteilungen, wie zum Beispiel Technik oder Marketing.
    Bei den Sitzungen diskutieren die Anwesenden aktuelle Themen. Meine Aufgabe bestand darin, die Teilnehmer zunächst über den aktuellen Stand zu informieren, sodass alle auf der gleichen Ebene diskutieren konnten. Denn manche Unternehmen beschäftigen zehn, 20 oder mehr Spezialisten in ihrer Lobbyabteilung, die sich bereits sehr genau mit einem Gesetzentwurf auseinandergesetzt haben. Sie haben die möglichen Folgen analysiert und sich eine detaillierte Meinung gebildet. »Für jeden Paragrafen einen eigenen Spezialisten«, ging es oft ehrfürchtig durch die Reihen, wenn ein solches Unternehmen bei öffentlichen Anhörungen mit einem Dutzend Vertreter auftauchte.
    Andere haben nicht einmal eine Lobbyabteilung und schicken zum Beispiel jemanden aus der »Kommunikation«, der von dem Gesetzentwurf vielleicht bisher noch gar nichts gehört hat.
    Das hat oft mit der Größe des Unternehmens zu tun, aber nicht zwingend: Es gibt Weltkonzerne, die sich erstaunlich wenig um ihre Lobbyarbeit kümmern, und es gibt kleine Unternehmen, die sehr gut erkannt haben, dass ein Federstrich des Gesetzgebers ihr Geschäftsmodell von heute auf morgen zerstören kann. Wenn die gesetzlichen Grundlagen eines Landes das Geschäftsmodell nicht mehr tragen, dann wird jede andere Abteilung überflüssig, ganz gleich, wie groß sie ist und für wie wichtig sie sich hält. Die Lobbyabteilung ist für nichts weniger verantwortlich als dafür, dass auch morgen noch die Produktionsbänder laufen, die Verkäufer ihre Kunden ansprechen können und Umsätze stattfinden, aus denen die Mitarbeiter ihre Gehälter gezahlt bekommen.
    Sobald in den Arbeitskreisen alle informiert waren, bestand meine Aufgabe darin, die Diskussion zu moderieren – und am Ende zu einer Branchenmeinung zu finden.
    Dabei praktizierte ich das absolute Konsensprinzip: Als Branchenmeinung vertrat ich nach außen nur Aussagen, denen alle Unternehmen zugestimmt hatten.

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