Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition)
war gerade belegt. Wichtige Entscheider sind fast immer belegt. Unterbrechen ist un höflich und Schlange stehen un würdig . Also unterhielten wir uns miteinander, schauten uns dabei aber selten gegenseitig an. Der Blick kreiste und verlor nie den nächsten Wunschgesprächspartner aus dem Fokus. Wurde der frei, so hatte jeder Kollege Verständnis dafür, wenn man mitten im Satz aufbrach.
Manche waren des ewig gleichen Small Talks und der ewig gleichen Leute aber auch derart überdrüssig, dass sie ihre Warteschleife noch ganz anders verbrachten. »Ich schließe mich oft 20 Minuten auf dem Klo ein und bearbeite E-Mails. Dann komme ich wieder raus und schaue, wie die Lage ist«, gestand mir einmal ein Kollege.
Ich beobachtete die Kollegin, die gerade losgerannt war. Der wichtige Abgeordnete hatte an diesem Abend schon mit vielen Leuten gesprochen – oder besser gesagt: War besprochen worden. Er stand in Hörweite von mir, sodass ich auch den Inhalt der Gespräche mitbekam: »Für uns ist wichtig, dass …«, sagte da jemand. Oder: »Wir fordern, dass …« Dann folgte ein längerer Monolog des Lobbyisten. Der Abgeordnete blickte gelangweilt um sich, winkte, wenn eine Bedienung mit Bier vorbeikam. Sein Gesprächsanteil beschränkte sich auf Aussagen wie »Hm …«, »Aha …« und, im ausführlichsten Fall: »Ja, das haben Sie ja bereits mehrfach geäußert.«
Der wichtige Abgeordnete stand auch auf meiner Liste für diesen Abend. Schon oft hatte er unsere Position höflich, aber gelangweilt entgegengenommen. Doch inzwischen hatte ich dazugelernt und würde diesmal eine andere Strategie ausprobieren. Als er wieder frei wurde, ging ich schnell zu ihm und begrüßte ihn.
»Mit welchen Problemen kämpfen Sie gerade so?«, eröffnete ich das Gespräch.
Verdutzt sah er mich an. Er war es gewohnt, dass ihm die Leute von ihren Problemen berichteten, von ihren politischen »Forderungen«. Dass ihn jemand nach seinen Problemen fragte, war so ungewöhnlich, dass es ihn für einen Moment aus der Fassung brachte. Aber er fing sich schnell.
»Ach, uns macht momentan diese neue Partei große Sorgen. Die kümmert sich um Internet- und Netzpolitik und hat damit riesige Erfolge. Das scheint die Leute ja wahnsinnig gut abzuholen. Wir fürchten große Verluste bei den nächsten Wahlen …«
Und plötzlich kippte die Situation: Er hielt den Monolog und ich hörte zu. Er redete fast eine halbe Stunde. Ich bestellte noch ein Bier. Und hörte ihm weiter zu.
»Wie kann ich Ihnen denn da helfen?«, fragte ich, als er kurz Atem holte.
»Hm … Also wenn Sie mir so drei, vier aktuelle Netzthemen liefern könnten, mit denen ich mich in der Fraktion profilieren kann und die Fraktion sich mit mir – das wäre fantastisch. Ich habe mich bisher mit solchen Themen noch nicht so intensiv befasst. Das Internet kenne ich natürlich! Aber offen gestanden: Was ›Netzpolitik‹ sonst noch sein soll, das kann ich mir gar nicht so recht vorstellen …«
Am nächsten Tag mailte ich ihm ein kurzes Memo. Es enthielt eine Handvoll Themen – wichtige Anliegen »meiner« Unternehmen, nur eben zugespitzt auf den »Netzbezug«, den er so dringend brauchte. Darunter waren Themen wie die Vorratsdatenspeicherung, die Freiheit im Internet und die GEZ-Gebühr auf Computer. Themen, zu denen er schon vorher regelmäßig Stellungnahmen von mir bekommen, sich aber noch nie für unsere Interessen eingesetzt hatte.
Mit einem Mal war alles anders. In den folgenden Monaten wurde er einer unserer brennendsten Fürsprecher. Er erntete in der Fraktion viel Respekt und seine Partei konnte endlich der neuen Partei Paroli bieten.
Erinnern Sie sich an den Verkäufer im Elektronikmarkt aus Kapitel 2? Und an seine fiktive, seltsam anmutende »Strategie«?
In Wirklichkeit fragt jeder Verkäufer seine Kunden doch zuerst: »Wie kann ich Ihnen helfen? Was suchen Sie ?« Obwohl er selbst etwas möchte: verkaufen.
Und wieder ist es so: Was für den Verkäufer so einleuchtend klingt, vernachlässigen wir »normalen« Menschen sträflich, wenn wir etwas von anderen wollen. Wir kommen einfach nicht auf den Gedanken, der Weg zu unserem eigenen Willen könnte über die entscheidende Frage an den anderen führen: »Was willst du ?«
In meinen »Du machst, was ich will«-Seminaren bitte ich am Anfang die Teilnehmer, mir in einem kleinen Rollenspiel ein Produkt zu verkaufen, zum Beispiel ein Handy. Das Setting des Rollenspiels: Wir sitzen zufällig an einem Flughafengate
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