Du oder der Rest der Welt
beuge den Kopf weiter über mein Buch, gehe Gleichungen durch und mache mir Notizen auf Schmierpapier.
Carlos holt tief Luft. »Okay. Es tut mir leid. Perdón . Madison und ich sind Geschichte, und ich würde viel lieber mit dir Modell stehen, als mit ihr abzuhängen. Wow, in der Natur zu sein, hat meinen Glauben an die Menschheit wiederhergestellt und mich zu einem besseren Menschen gemacht. Bist du jetzt zufrieden?«
25
Carlos
Ich beobachte, wie Kiara ihr Buch zuschlägt, mich ansieht und in ihren Rucksack greift. Sie wirft mir die Autoschlüssel zu. Ich fange sie mit einer Hand.
»Und du bleibst einfach hier?«
»Yep«, sagt sie.
»Ich gehe jetzt«, warne ich sie.
»Dann geh«, sagt sie und scheucht mich mit einem Handwedeln davon.
Das werde ich. Ich werde verdammt noch mal nicht darauf warten, bis sie mit Lernen fertig ist. Mir ist heiß, ich schwitze wie ein Schwein, und ich bin total angepisst. Und ich denke bereits darüber nach, wie ich mich für diese Aktion an ihr rächen kann. Zum Beispiel indem ich ihr Auto nehme und dafür sorge, dass es ohne einen Tropfen Sprit zu Hause ankommt.
Ich schiebe die Schlüssel in meine hintere Hosentasche und beginne mit dem Abstieg. Ein paar Mal rutsche ich aus und falle auf den Arsch. Dank Kiara werde ich morgen mehr als nur einen blauen Fleck haben.
Ich verspüre einen Anflug von Mitleid für Tuck, der ihren Launen ständig ausgesetzt ist, aber dann überlege ich, dass sie einander verdient haben. Meine Gedanken wandern zu Destiny. Wenn sie ganz allein auf diesem Berg wäre, würde ich sie nicht aus den Augen lassen. Ich würde den Held in strahlender Rüstung für sie spielen. Verflucht, ich würde sie sogar auf meinem Rücken den Berg hochtragen, wenn es das wäre, was sie wollte.
Und obwohl Kiara nicht meine Freundin ist und auch nie sein wird, dämmert mir in dem Moment, dass ich sie nicht einfach zurücklassen kann. Ich weiß, dass es Bären hier oben gibt. Was ist, wenn einer von denen sie angreift? Hat sie allen Ernstes damit gerechnet, dass ich gehe, oder ist es ein Test, der ihr beweisen soll, dass ich im Grunde doch ein anständiger Kerl bin?
Da hat sie Pech gehabt, denn ich bin kein anständiger Kerl.
Ich schlittere weiter den Berg runter. Doch jedes Mal, wenn ich denke, ich habe einen der befestigten Wege gefunden, endet er in einer Sackgasse oder auf einem beschissenen Felsen.
Ich packe einen Stein und schleudere ihn, so weit ich kann. Dann noch einen. Und noch einen. Zu hören, wie sie auf ihrem Weg nach unten von Fels zu Fels prallen, lindert meinen Frust kaum spürbar.
Ich ziehe mein T-Shirt aus, wische mir die Stirn damit ab und stecke es hinten in meine Jeans.
Ich bin nicht mehr in Mexiko, so viel steht fest. Niemand, den ich kenne, würde auf einen beschissenen Berg klettern, um zu lernen. Wenn es darum ginge, Drogen zu nehmen oder sich volllaufen zu lassen, könnte ich es verstehen.
Ich stürme zurück die Felsen hinauf und verfluche dabei das fehlende Profil meiner Schuhe. Ich verfluche Alex und mi’amá und Kiara und so ziemlich jeden, der mir je begegnet ist.
»Du bist komplett loco, chica «, rufe ich, als ich über den Felsen klettere, der ihre private Stelle vor Blicken verbirgt. »Ich meine, also echt, hast du geglaubt, ich laufe den ganzen Berg hinauf hinter dir her, nur, um dir den Schlüssel abzubetteln und dann zu verschwinden?«
»Ich habe dich nicht darum gebeten, hinter mir herzulaufen«, entgegnet sie.
»Als hätte ich eine Wahl gehabt!«
»Wir haben beide unseren f-f-freien Willen.«
» Von wegen! Mein freier Wille ist mir in dem Moment genommen worden, als ich in den Flieger nach Colorado steigen musste.«
Ich sitze ihr gegenüber auf dem Boden. Kiara macht sich weiter Notizen. Wir sind zusammen hierhergekommen, und wir werden zusammen wieder gehen. Mir gefällt es vielleicht nicht, aber wie es aussieht, habe ich keine andere Wahl. Ab und zu hebt sie den Kopf und erwischt mich dabei, wie ich sie anstarre. Das tue ich, um sie nervös zu machen. Wenn ich sie lange genug nerve, packt sie vielleicht ihr Zeug zusammen, und wir können fahren.
Aber nach fünf Minuten weiß ich, dass mein Plan nicht aufgeht.
Zeit, die Strategie zu ändern. »Lust, rumzumachen?«
»Mit wem?«, fragt sie, ohne hochzugucken.
»Mit mir.«
Sie hebt den Kopf gerade lange genug, um mich von oben bis unten abzuchecken. »Nein, danke«, sagt sie dann und beschäftigt sich wieder mit ihren Hausaufgaben.
Sie verarscht mich.
Das
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