Du oder der Rest der Welt
passiert.«
Mein Bruder blickt mir fest in die Augen. »Hast du mich angelogen, Carlos? Hast du Kontakt zu den Guerreros in Mexiko aufgenommen und diesen Drogendeal die ganze Zeit über geplant? Denn Devlin verarscht man nicht. Scheiße, er hatte sogar Kontakte zur Latino Blood in Chicago.«
»Denkst du, ich weiß das nicht?« Ich ziehe Devlins Nummer aus der Tasche, die ich in Nicks Spind gefunden habe, und zeige sie Alex. »Ich werde ihn anrufen.«
Er wirft einen Blick auf die Nummer und schüttelt den Kopf. »Tu es nicht.«
»Ich muss. Ich muss rausfinden, was er von mir will.«
Alex lacht kurz auf. »Er will dich besitzen, Carlos. Die Guerreros haben ihm offensichtlich von dir erzählt.«
Ich sehe meinen Bruder entschlossen in die Augen. »Ich habe keine Angst vor ihm.«
Mein Bruder ist aus der Latino Blood ausgestiegen und hat dafür fast mit seinem Leben bezahlt. Er weiß, was es bedeutet, denen ganz weit oben ans Bein zu pissen, wenn es um Gangs geht. »Wage es ja nicht, etwas ohne mich zu tun. Wir sind Brüder, Carlos. Ich werde immer an deiner Seite kämpfen, ohne nach dem Warum zu fragen.«
Genau davor habe ich Angst.
30
Kiara
Tuck und ich haben beschlossen, nach der Schule laufen zu gehen, bevor er sein ultimatives Frisbeetraining hat. Die erste halbe Meile haben wir geredet, aber seitdem laufen wir schweigend. Das einzige Geräusch ist das unserer Schritte auf dem Asphalt. Die Hitze des Tages ist abgeklungen, stattdessen ist es empfindlich kühl geworden.
Ich laufe gern mit Tuck. Es ist ein einsamer Sport, und jemanden zu haben, der mit einem läuft, macht es gleich viel unterhaltsamer.
»Wie geht’s dem Mexikaner?«, fragt Tuck, und seine Stimme hallt von den Bergen wider.
»Nenn ihn nicht so«, protestiere ich. »Das ist rassistisch.«
»Kiara, wie kann es rassistisch sein, ihn einen Mexikaner zu nennen? Er ist Mexikaner!«
»Es ist die Art, wie du es gesagt hast, nicht, was du gesagt hast.«
»Jetzt klingst du schon wie dein Dad, total einfühlsam und politisch korrekt.«
»Was ist falsch daran, Einfühlungsvermögen zu besitzen?«, frage ich. »Was wäre, wenn Carlos dich den Schwulen nennen würde?«
»Ich würde ihm nicht vorwerfen, Rassist zu sein, so viel steht fest«, sagt Tuck.
»Beantworte die Frage.«
Tuck gluckst. »Hat er mich tatsächlich den Schwulen genannt? «
»Nein. Er glaubt, wir wären zusammen.«
»Ich wette, er kennt nicht einen einzigen Homo. Der Typ hat einen Testosteronschild, der eine Meile hoch ist.«
Als wir den Anfang des Laufpfades durch den Canyon Park erreichen, bleibe ich stehen. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, sage ich atemlos. Ich bin daran gewöhnt, joggen zu gehen, aber heute rast mein Herz mehr als sonst, und ich bin auf einmal ohne Grund nervös.
Tuck hebt abwehrend die Hände. »Mir wäre es egal, wenn er mich schwul nennt. Ich bin schließlich schwul. Er ist Mexikaner, also was ist so schlimm daran, dass ich ihn Mexikaner genannt habe?«
»Nichts. Dass du ihn den Mexikaner genannt hast, hat mich gestört.«
Tuck sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. Seine Stirn runzelt sich, als versuche er dahinterzukommen, was mit mir los ist. »Oh mein Gott.«
»Was?«
»Du magst ihn. Ich hätte es schon viel früher merken müssen. Deshalb hast du wieder angefangen zu stottern. Es liegt alles an ihm !«
Ich rolle mit den Augen und verziehe angewidert das Gesicht. »Ich mag ihn überhaupt nicht.« Dann laufe ich los und lasse Tuck mit seiner dämlichen Theorie einfach stehen.
»Ich fass es nicht, dass du auf ihn stehst«, singt Tuck und stubst mich mit dem Zeigefinger in die Seite.
Ich laufe schneller.
»Nicht so schnell«, höre ich Tuck hinter mir schnaufen. »Okay, okay, ich werde ihn nicht mehr den Mexikaner nennen. Oder behaupten, dass du ihn magst.«
Ich verlangsame mein Tempo und warte, bis er mich eingeholt hat. »Er glaubt, du und ich wären ein Paar, und das passt mir gut in den Kram. Verrat ihm nicht, dass es nicht stimmt, okay?«
»Wenn es das ist, was du willst.«
»Das tue ich.«
Oben am Berg angekommen, machen wir eine Pause und bewundern die Aussicht auf die Stadt unter uns. Dann joggen wir zurück nach Hause.
Alex und Carlos stehen neben meinem Wagen in der Einfahrt.
Ein Blick auf uns, und Carlos wirft den Kopf in den Nacken und lacht. »Ihr tragt Partnerlook. Ich glaub, mir wird schlecht.« Er zeigt auf uns. »Siehst du, Alex. Neben allem anderen muss ich mich damit rumschlagen: weiße
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