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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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mich. »Carlos, komm mit.«
    Kinney und Morrisey bringen mich in einen kleinen Nebenraum. Hier drin sieht es aus wie in einem Untersuchungszimmer beim Arzt. Es hängen sogar diese Kästchen an den Wänden, in denen frische Nadeln und Kanülen aufbewahrt werden. Einen Unterschied gibt es jedoch. In der Ecke befindet sich eine Toilette, vor der ein schmaler Vorhang von der Decke hängt, der anscheinend Privatsphäre suggerieren soll.
    Morrisey deutet auf mein Gesicht. »Dein Vormund hat dich am Montag und Dienstag telefonisch entschuldigt. Er hat gesagt, du seiest in einen Kampf verwickelt gewesen. Willst du uns davon erzählen?«
    »Nicht wirklich.«
    Kinney macht einen Schritt auf mich zu. »Okay, Carlos, Folgendes wird passieren: So wie du aussiehst, nehmen wir an, dass du in der vergangenen Woche unter Drogeneinfluss gestanden hast. Prügeleien haben meistens etwas mit Alkohol-oder Drogenkonsum zu tun. Wir lassen dich einen Urintest machen. Wasch dir die Hände an dem Waschbecken da.«
    Ich verspüre den Drang, mit den Augen zu rollen und ihnen zu sagen, dass verprügelt zu werden nicht automatisch heißt, dass man an der Nadel hängt, aber stattdessen zucke ich nur die Achseln. »Wenn Sie meinen«, sage ich, nachdem ich die Hände gewaschen habe. »Geben Sie mir einfach einen Becher, damit ich es hinter mich bringen kann.«
    »Falls das Ergebnis positiv ist, fliegst du aus dem Programm«, sagt Morrisey, während er ein Schränkchen öffnet und einen Becher herausnimmt. »Du kennst die Regeln.«
    Ich greife nach dem Becher, aber Kinney hebt die Hand. »Lass mich erst noch erklären, was du tun musst. Du musst dich in unserem Beisein bis auf die Unterwäsche ausziehen, dann gehst du hinter den Vorhang und urinierst in den Becher.«
    Ich werfe mein T-Shirt auf einen der Stühle und lasse meine Jeans auf den Boden fallen. Anschließend strecke ich die Arme zu den Seiten und drehe mich einmal im Kreis. »Zufrieden?«, frage ich sie. »Ich habe keine Ware am Körper.«
    Morrisey reicht mir den Becher. »Du hast vier Minuten. Und nicht die Toilette abziehen, sonst müssen wir das alles noch mal von vorn machen.«
    Ich gehe mit dem Becher in der Hand hinter den Vorhang und pisse. Ich muss zugeben, es ist erniedrigend, dass Morrisey und Kinney mir beim Pinkeln zuhören, auch wenn es für sie Routine ist.
    Als ich fertig und wieder angezogen bin, werde ich angewiesen, mir noch mal die Hände zu waschen, und kehre zur Gruppe zurück. Da sie die Resultate nicht vor morgen haben, bin ich erst mal vom Haken. Bei meiner Rückkehr in den Gruppenraum starren mich alle außer Keno an. Sie kennen den Ablauf anscheinend und können sich denken, dass ich gerade getestet worden bin.
    »Willkommen zurück«, sagt Berger. »Du hast offenbar eine harte Woche hinter dir. Wir haben dich vermisst.«
    »Mir ging’s nicht so gut.«
    »Willst du uns davon erzählen? Was in diesem Raum gesagt wird, bleibt auch in diesem Raum. Stimmt’s, Leute?«
    Alle nicken, aber mir fällt auf, dass Keno etwas in seinen Bart murmelt und immer noch den Augenkontakt mit mir vermeidet. Er weiß etwas, und ich muss herausfinden, was. Das Problem ist, ihn allein zu erwischen, denn nach jedem Treffen nimmt er die Beine in die Hand und verschwindet.
    »Lassen Sie lieber jemand anderen reden«, sage ich.
    »Er geht mit Kiara Westford«, schaltet sich Zana ein. »Ich habe ihn im Gang mit ihr gesehen, er hatte seinen Arm um sie gelegt. Und meine Freundin Gina hat mitbekommen, wie er sie beim Mittagessen gefragt hat, ob sie mit ihm zum Homecoming geht.«
    Das ist das letzte Mal, dass ich etwas in aller Öffentlichkeit mache. »Kümmerst du dich je um deinen eigenen Scheiß?«, frage ich Zana. »Ernsthaft, hast du nichts Besseres zu tun, als mit deinen dämlichen Freunden Klatsch auszutauschen?«
    »Fick dich, Carlos.«
    »Zana, es reicht. Hier drin reden wir nicht so. Ich werde keinerlei Obszönitäten dulden. Ich gebe dir eine Verwarnung.« Berger nimmt ihren Stift und schreibt den Scheiß in ihr Notizbuch. »Carlos, erzähl mir vom Homecoming.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen. Ich gehe mit einem Mädchen hin, das ist alles.«
    »Bedeutet sie dir etwas?«
    Ich sehe Keno an. Wenn er Devlins Mannschaft kennt, gibt er ihnen vielleicht die Info. Ist Berger wirklich so naiv zu glauben, was in unseren kleinen Therapiesessions besprochen wird, bliebe in diesem Raum? Sobald wir hier raus sind, wird Zana garantiert ihr Handy zücken und jedes noch so dämliche Detail, das

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