Du oder die grosse Liebe
und die meisten Dinge, die du dir wünschst. Wir leben den amerikanischen Traum. Ich kenne die Mentalität der meisten mexikanischen Familien von der Southside von Fairfield: Sie arbeiten wie die Hunde, schicken ihren Verwandten in Mexiko Geld und haben keine hohen Erwartungen ans Leben, weil sie nie in Erfüllung gehen würden. Von den meisten mexikanischen Kindern auf der Southside wird nicht erwartet, dass sie aufs College gehen. Nach der Highschool müssen sie ihren Eltern helfen, die Familie zu versorgen und ihr Viertel zu beschützen. Das ist nicht unsere Mentalität.«
»Ich weiß.« Ich möchte ihm sagen, was seit zwei Monaten an mir nagt, seit ich mit Luis auf Dereks Boot war. »Ich möchte, dass du mir von deiner Kindheit erzählst, Dad. Nicht jetzt, aber wenn du und Mom bereit dazu seid. Das ist wirklich wichtig für mich. Mexikanerin zu sein, ist wichtig für mich.«
»Hat das irgendetwas damit zu tun, dass du so viel Zeit mit Luis verbracht hast?«
»Vielleicht. Wir haben uns getrennt und ich vermisse seine Familie. Ich vermisse es, von Leuten umgeben zu sein, die damit prahlen, Mexikaner zu sein – als wäre es eine riesige Auszeichnung. Ich weiß, dass es blöd ist, aber mir hat das gefallen.« Außerdem vermisse ich Luis so schrecklich, dass es wehtut, und ich habe mich seit seinem Geburtstag jede Nacht in den Schlaf geheult.
»Wenn du Mexiko besuchen möchtest, werde ich mit deiner Mutter reden. Wir haben keine Pläne für den Sommer, da du im Herbst ja aufs College gehen wirst.« Er tätschelt mein Knie. »Ich glaube, du hast recht. Manchmal müssen wir zurückblicken und erkennen, dass die Vergangenheit uns lehren kann, die Zukunft zu schätzen.«
Das ist wahr. Ich muss mich mit meiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, damit meine Wunden heilen und ich den Blick nach vorn richten kann. Marco ist der Schlüssel dazu.
Ich verlasse das Zimmer und gehe vor die Tür, um Marco anzurufen. Als er nicht rangeht, schreibe ich ihm eine SMS .
Ich: Können wir reden?
Er: Geht nicht. Ich helfe Luis zu rekrutieren. :)
43
Luis
Chuy steht vor mir, inmitten eines Kreises aus ungefähr fünfzehn Typen. Mein Cousin Enrique ist nicht unter ihnen, aber dafür Marco. Und ein paar andere Jungs aus der Schule. Chuy hat außerdem noch ein paar der Typen zusammengetrommelt, die schon zu Alex’ Zeiten dabei waren.
»Folgendes wird passieren, Luis«, erklärt Chuy. » Mis vatos und ich werden dich in das hintere Zimmer bringen und dreizehn Sekunden lange die Scheiße aus dir rausprügeln. Wenn das vorbei ist, bist du einer von uns.«
»Darf ich zurückschlagen?«, frage ich.
»Nein. Wenn du es auch nur versuchst, werden unsere Schläge härter«, verspricht er mir, ohne mit der Wimper zu zucken. »Es dient dazu, dich zu brechen, bevor wir dich größer, stärker und tougher wieder aufbauen. Wie einen jungen Hengst, ese . Wenn wir mit dir fertig sind, bist du ein Latino Blood.«
»Lass es uns hinter uns bringen.«
»Verflucht, du bist wie Hector. Der verrückte Motherfucker war genauso ungeduldig wie du«, sagt Chuy.
Sie führen mich gemeinsam in ein Zimmer ohne Fenster. Auf dem Boden bemerke ich getrocknete Blutflecken. Ich sollte Angst haben, aber die habe ich nicht. Mein Blick fällt auf Marco. Er ist aufgedreht, als würde meine Initiation seine Stellung in der Gang verbessern.
Ein paar der OGs stehen hinter mir. Wahrscheinlich wollen sie sichergehen, dass ich nicht in letzter Minute Schiss bekomme und abhaue.
»Bist du bereit?«, fragt Chuy.
Ich nicke. Tief in mir brodelt die Wut und sucht verzweifelt nach einem Ausweg. Ich weiß nicht, wie lange ich sie noch unterdrücken kann.
Chuy packt mein Kinn, seine Finger graben sich in mein Fleisch. »Dein Gesicht erinnert mich an das von Alex«, sagt er. »Ich habe es genossen, ihn in die Knie zu zwingen, als er ausgestiegen ist. Welch süße Rache das hier sein wird.«
Ich reiße mich von ihm los, aber in dem Moment, als ich frei bin, fliegen mir Chuys eisenharte Fäuste ins Gesicht. Er muss einen Ring anhaben, denn etwas Scharfes schlitzt mir die Wange auf.
»Eins«, sagt er und weidet sich an der deutlich sichtbaren Verletzung, die er mir zugefügt hat.
»Zwei!«, höre ich ihn rufen. Der Rest der Jungs kommt näher. Ich schirme mein Gesicht schnell mit Armen und Händen ab. Es ist schwer, sie oben zu halten, während Schlag für Schlag mein Körper mehr schmerzt und gekrümmt zu Boden fallen will.
»Drei.«
Ein Hieb in die Seite bringt mich
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