Du oder die grosse Liebe
Kuss?«
Ich nicke. »Du weißt nicht, was dir entgeht.«
Sie schließt den Abstand zwischen uns, und bevor mein Verstand Zeit hat zu checken, was passieren wird, greift Nikki in mein Haar und zieht meinen Kopf zu ihrem herunter, sodass unsere Lippen sich federleicht berühren.
So viel zum Thema Adrenalinrausch.
»Küsst du nur mit den Lippen?«, flüstert sie, dann fährt sie mit ihren Lippen an meinen entlang. »Oder traust du dich mehr?« Ihre Zunge stößt in einem langsamen, sinnlichen Rhythmus zwischen meine Lippen, sofort schießen mir Bilder von einem intimeren Szenario durch meinen Kopf.
Ich behalte die Hände an den Seiten meiner Oberschenkel und überlasse ihr die Kontrolle. Das bedeutet, dass ich mich im Griff habe, obwohl sie den Kuss kontrolliert. Ich weiß, sie spielt mit mir. Sie macht mich ganz heiß und rattenscharf, nur um mich später abblitzen lassen zu können.
Das ist mir klar. Und doch habe ich das Gefühl, dass sie diejenige ist, die allmählich die Kontrolle verliert.
»Ich traue mich auf jeden Fall mehr.« Ich berühre ihre Zunge mit meiner. Sie ist heiß und nass und fühlt sich unfassbar himmlisch an. Ein leises Stöhnen entschlüpft ihren Lippen, und ich schwöre, es hört sich an wie: »Oh, Luis«, und das ist der Punkt, an dem ich verloren bin.
Nikki an sich ist schon Adrenalin pur. Ich löse mich von ihr und umfange ihre hochrote Wange sanft mit einer Hand.
Wir sehen uns einfach nur an. »Was machst du da?«, fragt sie.
»Dich ansehen. Die Anziehungskraft zwischen uns sprengt alles, oder?«
»Nö.« Sie hält meinem Blick stand, wahrscheinlich hofft sie, dass ich zuerst weggucke. Als ich es nicht tue, tritt sie einen Schritt zurück, und ein großspuriges Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Sie macht »tztztz« und schüttelt den Kopf. »Tut mir echt leid, Luis, aber du bist ganz schön aus der Übung. Dein Zungenspiel war ein bisschen unbeholfen. Ich meine, es war nicht total grottig. Du hast durchaus Potential, aber ganz offensichtlich passen wir nicht zusammen.«
Während ich sprachlos dastehe, geht mir durch den Kopf, dass dieses Mädchen eine Hexe ist und kein Engel. Sie hat mich definitiv verhext, und ich hechle danach, sie um die Chance anzuflehen, es wieder zu tun – und zwar sofort. Das war nicht nur Spaß und mein Zungenspiel ist alles andere als unbeholfen. Ich hatte Spaß mit anderen Mädchen. Mit vielen. Keine von ihnen hat sich je beschwert.
Als ich ihr in die Augen gesehen habe und sie fest in meine blickte, war da etwas. Etwas, das sich nicht leugnen lässt.
Nikki wischt sich die Lippen mit dem Handrücken ab. »Wag es ja nicht, irgendwem zu erzählen, dass wir uns geküsst haben.«
Warum, weil ich ein armer Mexikaner bin und nach ihrer Marco-Erfahrung für sie nur noch Jungs infrage kommen, die mit Fünfzigdollarnoten herumwedeln, als sei es Schmierpapier?
Ben kommt zu uns auf den Flur und fragt: »Was habt ihr zwei gemacht?«
Nikki sagt: »Nichts«, während ich gleichzeitig sage: »Deine Schwester und ich haben gerade rumgeknutscht.«
16
Nikki
Manchmal gibt es Dinge, die man besser vergisst. Dass ich Luis geküsst habe, ist eins von ihnen. Na schön, es war nicht so übel, wie ich behauptet habe … in Wahrheit kann ich nicht aufhören, mir vorzustellen, es wieder zu tun. Aber das braucht er ja nicht zu wissen. Ich habe es geschafft, die ganze Woche in der Schule nicht mit ihm zu reden, was perfekt war. Bloß dass es eine Menge Energie verschlingt, jemandem zu meiden, der unübersehbar ist.
An den Sonntagvormittagen helfe ich ehrenamtlich in dem Hundeheim bei uns um die Ecke aus. Als ich dort eintreffe, erzählt mir die Leiterin Sue, dass heute Morgen eine neue Hündin namens Granny abgegeben wurde.
»Sie ist blind«, berichtet Sue, und mir bricht es das Herz. »Eine Bulldogge. Wahrscheinlich zwischen neun und zehn Jahre alt. Ihr betagter Besitzer ist gestorben und niemand aus der Familie konnte den Hund nehmen.«
Ich habe schon viele alte Hunde in ihren Zwingern im Heim sterben sehen, weil nur wenige Menschen bereit sind, die höheren medizinischen Kosten zu tragen, die ein älterer Hund normalerweise verursacht. Hinzu kommt, dass die Leute keinen Hund wollen, der nicht mehr lange bei ihnen sein wird.
»Wo ist sie?«, frage ich.
»Zwinger dreiunddreißig. Du kannst mit ihr Gassi gehen und dann beginnen, die Käfige auf der Westseite zu säubern.«
Ich gehe sofort zur Nummer dreiunddreißig. Granny liegt in einer Ecke, ihr Kopf ruht
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