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Du oder die grosse Liebe

Du oder die grosse Liebe

Titel: Du oder die grosse Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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es warm, obwohl man beim Chicagoer Wetter auch im Herbst nie weiß, wie der einzelne Tag sich entwickeln wird. Ich sitze auf dem Boden vor dem Auto, an dem Luis arbeitet, und halte mein Gesicht der Sonne entgegen.
    »Ist Enrique in einer Gang?«, frage ich so leise, dass nur er mich hören kann. »Ich habe seine Tattoos gesehen.«
    »Er ist ein OG, ein Original Gangster … aber nicht mehr besonders aktiv.«
    »Was heißt das?«
    Luis zuckt mit den Achseln. »Es heißt, dass er schon ewig dabei ist, kein Fußvolk. OGs wie Enrique werden nur gerufen, wenn etwas Großes ansteht. Er bleibt meist für sich, aber … du weißt schon, Loyalität schlägt tiefe Wurzeln.«
    »Er steht auf Isabel«, bemerke ich.
    »Ich weiß.« Er setzt sich auf eines dieser Rollbretter und nimmt Werkzeuge aus der Werkzeugkiste. »Aber er hat erzählt, dass sie ihn noch jedes Mal abgewiesen hat, wenn er sie um ein Date gebeten hat. Sie verzehrt sich wohl immer noch nach ihrer Highschool-Liebe.«
    Tief in meinem Innern macht sich schmerzliches Bedauern breit, weil ich so lange meiner hoffnungslos zum Scheitern verurteilten Beziehung zu Marco hinterhergetrauert habe. Was für eine Verschwendung! Diese Zeit werde ich nie zurückbekommen. »War es eine schlimme Trennung?«
    Er wird stocksteif. »Es war keine Trennung im eigentlichen Sinn. Er ist gestorben.«
    »Das ist ja schrecklich!«
    Luis sieht mich nicht an, als er sagt: »Er war Alex’ bester Freund.«
    »Du redest von Paco, oder? Wie genau ist er gestorben?«
    »Er ist erschossen worden.«
    Durch meinen Kopf schießen zig Fragen. »Von einer rivalisierenden Gang?«
    »Nein. Von seiner eigenen.« Luis sieht traurig aus, wie er so auf seinem Rollbrett sitzt, den Blick gesenkt.
    »Ich kapier das nicht, Luis. Warum würde sich jemand überhaupt einer Gang anschließen?«
    »Manche Menschen haben keine Wahl«, sagt er, bevor er sich auf das Brett legt und mit dem Oberkörper unter das Auto rollt.
    Ich zupfe an seinem Bein.
    Er rollt wieder unter dem Auto hervor und sieht zu mir hoch.
    »Man hat immer die Wahl. Du bist ja auch nicht in einer Gang, obwohl deine Brüder es waren.« Ich beuge mich zu ihm runter, um ihn zu küssen. »Du hast nicht den einfachen Weg gewählt und dafür liebe ich dich.«
    Er zieht eine Augenbraue hoch, als das L-Wort meinen Lippen entschlüpft.
    Ups. Das hatte ich nicht geplant.
    »Ich habe liebe nicht auf die Ich liebe dich -Art gemeint«, betone ich rasch, dann schlage ich die Hände vors Gesicht, um zu verbergen, wie peinlich mir das ist.
    Er setzt sich auf und zieht sanft meine Hände von meinem Gesicht weg. »Keine Sorge, mi chava «, sagt er und zwinkert mir zu. »Ich weiß, wie du es gemeint hast. Hör zu, du weißt nicht, was meine Brüder durchgemacht haben. Sie haben getan, was sie tun mussten. Verurteile sie nicht dafür. Du weißt nicht, wie es ist, einer von uns zu sein … arm zu sein und mitten in einem Straßenkrieg zu leben. Du musstest nie erleben, wie dein bester Freund erschossen wurde und in deinen Armen starb. Es ist die Hölle.«
    »Du hast recht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist. Ich bin nur froh, dass du nichts damit zu tun hast.«
    Er nickt, dann verbringt er den Rest der Zeit arbeitend, während ich zugucke.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, frage ich. »Ich komme mir mies vor, wenn ich faul hier rumsitze, während du arbeitest.«
    Seine Hand taucht unter einem der Autos auf. »Gib mir den Ölfilterschlüssel.«
    Ich sehe mir das Werkzeug an, das vor mir liegt. Hm … für mich sieht das alles gleich aus. Ich gucke zurück zu seiner wartenden Hand. »Jetzt hast du mich.«
    Ich höre, wie er lacht. »Tut mir leid. Es ist das Ding, das wie eine Klaue mit roten Gummigriffen aussieht.«
    Ich finde so ein Ding und lege es in seine wartende Hand.
    Als er fertig ist, rollt er wieder unter dem Auto hervor. »Du erinnerst mich an meine Schwägerin. Sie versteht nicht das Geringste von Autos; nur so viel, dass man den Schlüssel in die Zündung stecken muss.«
    Ich hebe die Hand. »Ja, so viel weiß ich auch.«
    »Bitte sag mir, dass dein Dad dir wenigstens beigebracht hat, wie man einen Reifen wechselt.«
    »Ich muss nicht wissen, wie man einen Reifen wechselt.« Ich greife in mein Portemonnaie und ziehe die praktische Karte hervor, die ich für solche Notfälle immer bei mir trage. »Mein Dad hat mir dafür eine Goldmitgliedschaft besorgt.«
    Luis verdreht die Augen. »Du solltest wissen, wie man einen Reifen wechselt. Erinnere mich

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