Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
zufällig zwischen den anderen Sachen gelegen hatte. Noch ein Leben, das zu Ende gegangen war. Francesca Connor, Mountain-View-Friedhof Oakland, Kalifornien, 3 . September 1999 . Und da stand Greg und hielt ebenso eine Trauerrede. Nicky musste sich wieder setzen, denn die Beine gaben unter ihr nach. Grace
und
Francesca. Der Raum um sie herum erstarrte, selbst die Staubpartikel schienen in ihrem trägen Tanz durch die Sommerluft innezuhalten.
Der Mann, der zwei Blondinen verloren hatte.
Wie war Francesca gestorben? Nicky las die Daten auf der blassgelben Karte. Fünfundzwanzig Jahre alt. Grace war mit Greg verheiratet gewesen, deshalb war alle offizielle Post an ihn gegangen, aber Francesca als seine Freundin hatte dem Gesetz nach noch zu ihren Eltern gehört. Mehr als die Traueranzeige fand Nicky nicht. Was hatte Liz noch gesagt? Irgendwas mit »springen«.
Sie recherchierte Francescas Namen im Internet, fand aber nichts. Dann rief sie im Archiv der Zeitung an, erklärte, es gehe um Informationen für eine Story, und bat die Kollegen, unter dem Namen nachzuschauen. Auch das erwies sich als Niete. Francesca war amerikanische Staatsbürgerin gewesen. Es würde nicht einfach sein, die Wahrheit herauszufinden.
Sie machte sich eine Tasse Tee und versuchte, ihre Gedanken wenigstens halbwegs zu ordnen. Als sie ihren Anrufbeantworter abhörte, stieß sie auf eine Nachricht, die sie in einem Maße erschreckte, wie sie es selbst nicht für möglich gehalten hätte. Greg teilte mit, dass er nach Hause kommen werde, dass er am Samstag in London ankomme. Ein vages Unbehagen beschlich sie. Er musste mit Liz gesprochen haben. Plötzlich fühlte sie sich eingekeilt, von Greg auf der einen und Liz auf der anderen Seite. Was war so bedeutend, dass er von einem Dreh weglief und nach Hause kam?
Zögernd zog sie das Foto aus Struan Clarkes Handschuhfach aus der Tasche und starrte es an. In diesem Augenblick verriet es ihr gar nichts, doch auf einmal hielt sie es für möglich, dass sich das noch änderte.
35
D ie Aufzugtür hatte sich noch nicht ganz hinter Nicky geschlossen, da entdeckte Maria sie von ihrem Schreibtisch aus, sprang auf und kam ihr entgegen.
»Wo warst du, verdammt?«
»Was! Nicht mal ein Hallo?«
»Der Verlagsleiter war schon hier und hat nach dir gefragt!« Maria senkte dramatisch die Stimme und sah sich verstohlen um, als sei sie ein ostdeutscher Spion am Checkpoint Charlie.
»Ich hab mir den Knöchel verstaucht.«
Maria seufzte und legte den Kopf schief. »Mir hast du auf den AB gesprochen, dass du krank bist. Jetzt bleib wenigstens bei ein und derselben Geschichte.«
Wortlos stand Nicky da und schaute Maria zu, wie sie schon morgens kurz nach neun einen solchen Wirbel veranstaltete. Dann streckte sie die Hände aus und schloss Maria kurz in die Arme.
»Du ahnst gar nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen und wieder hier zu sein.«
»Für Sarkasmus ist es zu früh am Tag«, gab Maria zurück. »Und nun humpel gefälligst, Nics. Du musst ein bisschen mehr stöhnen! Ach ja, und dein Telefon ist endlich da, es liegt auf deinem Schreibtisch. Dieser picklige Kerl aus der Buchhaltung hat es gebracht. Ist doch süß, oder?«
Drei Stunden später redigierte Nicky einen Text über den Werdegang eines Lords, der in Kairo ein volkskundliches Museum gegründet hatte. Es tat wirklich gut, wieder da zu sein. Die Arbeit half ihr, bei der unaufhörlichen Grübelei über den Irrsinn der vergangenen Tage nicht verrückt zu werden. Schlaflos hatte sie sich in der Nacht hin und her gewälzt und versucht zu verarbeiten, was sie über Gregs frühere Freundin erfahren hatte, was Adam getan und wie sie darauf reagiert hatte.
Maria knallte den Hörer auf die Gabel und stöhnte. »Eine Freie, die Außenstände eintreiben will. Ihre letzte Rechnung ist noch nicht bezahlt. Dafür ist doch die dämliche Buchhaltung zuständig! Ich stelle keine Schecks aus, aber mich rufen sie an, wenn ihr Geld nicht kommt.«
»Und du wirst angeschrien.«
»Ach, ganz im Gegenteil! Die ist immer superhöflich, entschuldigt sich, weil sie mich behelligt, und so weiter. Das macht es doch nur noch unangenehmer! Wir wissen beide ganz genau, dass sie unterschwellig kocht, weil wir ihr Honorar seit zehn Jahren nicht angehoben haben. Sie sollte sich lieber bei Bill Gates beschweren oder bei diesen Online-Nachrichtendiensten oder Twitter oder so – wobei es interessant wäre, ob sie von denen eine Telefonnummer rauskriegt.«
»Irgendwelche
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