Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
British National Sleep Foundation hat ergeben, dass drei Viertel der Briten Schlafprobleme haben. Ein Drittel ist tagsüber so müde, dass ihre Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt ist. Bei einem von fünf Arztbesuchen geht es mittlerweile um Schlafprobleme.
Laut Studienleiterin Alysen Richards haben die Anforderungen des 21. Jahrhunderts eine Zeitknappheit geschaffen, die die Menschen zwingt, länger wach zu bleiben als noch vor zwanzig oder auch nur zehn Jahren. »Bald wird unsere gesamte Nation an Schlafentzug leiden«, so Richards. »Die Menschen wissen den Schlaf nicht mehr zu schätzen, betrachten ihn als verschwendete Lebenszeit. Indem sie sich zwingen, bis tief in die Nacht zu arbeiten, bekommen sie Schlaf-wach-Rhythmusstörungen. Der menschliche Körper kann das nicht unendlich lang verkraften.«
Cynthia wäre nie hinter Damiens Geheimnis gekommen, hätte es diesen Wochenendausflug nicht gegeben.
Es war ein Freitagabend, und sie waren mit Freunden aufeinen Drink gegangen. Das Old Duck war ein immer seltener werdendes Phänomen: ein traditionelles englisches Pub mit zerschrammtem Holzmobiliar, verblichenem geblümtem Teppich und einem blinkenden Spielautomaten in der Ecke. Seine Hauptattraktionen waren eine Dartscheibe, die gefüllten Ofenkartoffeln auf der Speisekarte sowie eine Auswahl an regionalen Bieren, auf die der Besitzer sehr stolz war. Man munkelte, dass Kunden, die nach einem Guinness Extra Cold fragten, sofort vor die Tür gesetzt wurden.
Sie saßen zu fünft an einem Tisch im hinteren Teil des Lokals. Damien und Joe hatten verschwörerisch die Köpfe zusammengesteckt. Wahrscheinlich unterhielten sie sich über eine moralisch fragwürdige Heldentat aus ihrer Studentenzeit. Cynthia, Karen und Judy diskutierten über George Clooney.
»Tut mir leid, Karen, aber was das anbelangt, bin ich mit Judy einer Meinung«, sagte Cynthia. »Clooney war vielleicht mal der heißeste Typ Hollywoods, aber jetzt ist er einfach … verwelkt.«
»Niemals!«, sagte Karen und legte in einer theatralischen Geste die Hand aufs Herz. »Es ist mir egal, wie alt er ist – George Clooney wird für mich immer der Sexiest Man Alive sein.« Sie richtete den Zeigefinger erst auf Cynthia und dann auf Judy. » Versucht mir erst gar nicht weiszumachen, dass ihr ihn aus eurem Bett werfen würdet, solltet ihr jemals das Glück haben, ihn dort vorzufinden.«
»Also, ich für meinen Teil kann dir schwören, dass ich das tatsächlich tun würde«, sagte Judy. »Aber das hat momentan nicht viel zu bedeuten, weil ich überhaupt niemanden in mein Bett lassen würde. Ich bekomme auch so schon zu wenig Schlaf.«
Es klang nach einem Scherz, aber Cynthia glaubte eine gewisse Bitterkeit herauszuhören. Sie musterte ihre Freundinaufmerksam und bemerkte ihre fahle Haut, die tiefen Augenhöhlen und die zu locker sitzende Kleidung, die von einem plötzlichen Gewichtsverlust kündete. Sie beugte sich vor und flüsterte Judy ins Ohr: »Alles in Ordnung? Du siehst … erschöpft aus.«
»Geht schon.« Judy lächelte etwas bemüht. »Ich habe bloß jede Menge Überstunden gemacht. Ihr kennt ja die Anwaltsbranche: Da muss man Stunden schinden, die man seinen Mandanten in Rechnung stellen kann. Ich habe ernsthaft überlegt, unser Treffen heute abzusagen. Aber ich dachte, wenn ich das noch einmal mache, wisst ihr bald gar nicht mehr, wie ich aussehe.«
Karen, die in ihrer Handtasche gewühlt hatte, sah jetzt auf und setzte ein gespielt dramatisches Gesicht auf. »Verdammt!«, sagte sie. »Ich habe meinen Kamm vergessen. Und meine Haare sind zum Fürchten.« Sie fasste sich verlegen in ihren dunklen Bob und warf einen Seitenblick zu Joe hinüber.
An einem sehr betrunkenen Abend vor fast einem Jahr hatten Karen und er rumgeknutscht. Joe hatte das längst vergessen, Karen jedoch anscheinend nicht.
»Komm«, sagte Judy und erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich habe eine Bürste dabei. Bringen wir deine Haare auf der Damentoilette wieder in Ordnung.«
Als sie weg waren, wandte Cynthia ihre Aufmerksamkeit Joe und Damien zu, die gerade über einen der Supervisoren bei Draycott lästerten. Joe schwenkte gestikulierend sein Glas, im Mundwinkel hatte er eine unangezündete Zigarette hängen. Er rauchte, hasste es aber, nach draußen zu gehen und dort allein zu paffen. Deshalb zog er manchmal seinen Mantel an und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, aber dann konnte er sich doch nicht aufraffen, hinauszugehen. Cynthia hatte ihn schon
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