Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Wirkung dauerte immer gleich lang: zwischen sechs und acht Tagen, je nachdem, wie schlimm der Betroffene unter Narkolepsie litt. Bei mir ließ sie immer nach sieben Tagen nach. Man konnte die Uhr danach stellen.«
»Und gab es irgendwelche Nebenwirkungen?«
Er schüttelte den Kopf und grinste breit. »Nicht eine einzige.«
Sie nahm noch einen Schluck Wein. Die Schatten unter seinen Augen waren fast schwarz.
»Wann war die Narkolepsie-Studie zu Ende?«, fragte sie schließlich.
»Vor einer ganzen Weile. Ich schätze, das dürfte jetzt ungefähr vierzehn Monate her sein.«
Sie wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht. »Und seitdem … bist du ganz ohne Schlaf ausgekommen?«
Er setzte zum Sprechen an, zögerte. Als sie schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, nickte er schließlich. Sie starrte ihn fasziniert an. Mehr als ein Jahr ohne Schlaf! Unglaublich. Ihr schwirrte der Kopf, so viele Fragen hatte sie an ihn.
»Aber … woher hast du das Medikament bezogen, bevor Stay Up aufgemacht hat?«
Er zuckte übertrieben lässig mit den Achseln. »Es gingen ein paar Pillen … verloren, als die Studie zu Ende war. Wir sollten ja ursprünglich eigentlich eine pro Tag einnehmen. Aber dann war es nur eine pro Woche. Da blieb ziemlich was übrig.«
Cynthia runzelte die Stirn. »Ja, aber es ist normalerweise nicht so, dass man die getesteten Medikamente anschließend in einem Doggy Bag mit nach Hause bekommt. Wie bist du da rangekommen?«
Sein Blick irrte durch den Raum, so als würde er sich auf einmal all der Menschen um sie herum bewusst. Die Menge vor der Bar war dichter und lauter geworden. Die Gruppe am Nebentisch diskutierte lebhaft. Einige Frauen aus der Gesundheits- und Kosmetikredaktion gingen mit Weißweingläsern an ihnen vorbei. Niemand sah in ihre Richtung.
»Keine Sorge«, sagte Cynthia. »Alles, was du mir erzählst, bleibt unter uns.«
»Na gut.« Marcus beugte sich zu ihr vor und flüsterte: »Ich habe mich mit einer anderen Probandin angefreundet,die sich öfter mit einem der männlichen Pfleger unterhalten hat. Wie sich herausstellte, stammte er aus irgendeinem Krisengebiet und wollte kündigen, nach Hause zurückkehren und seine Familie unterstützen. Es ging um einen Bruder, der zu Unrecht im Gefängnis saß. Nur, vorher brauchte er Geld, und zwar schnell. Die Forscher hatten ursprünglich eine Placebo-Gruppe mit eingeplant, also standen irgendwo haufenweise wirkungslose Kapseln herum, die genauso aussahen wie das Testmedikament. Ka… meine Freundin hat den Pfleger überredet, die Placebos mit dem übriggebliebenen Niton zu vertauschen und es uns nach dem Ende der Studie zu verkaufen. Jeder von uns hat zweitausend in bar bezahlt. Das war teuer, aber jeden einzelnen Penny wert.« Marcus schien langsam wieder zu sich zu kommen. Sein Gesicht drückte Besorgnis aus. »Du darfst niemandem erzählen, dass ich schon Niton genommen habe, bevor es Stay Up gab! Damit würdest du mich schwer belasten. Versprichst du mir, dass du nichts verrätst?«
»Du hast mein Wort. Aber die Leute müssen doch was gemerkt haben? Was glauben die Bosse beim Sentinel , wie du so viele Überstunden machen und ganze Nächte ohne Schlaf auskommen kannst?«
»Modafinil«, erwiderte Marcus. »Das gibt es schon seit Jahren, und es ist absolut legal, wenn man ein ärztliches Rezept dafür hat. Damit kann man den Schlaf reduzieren oder auch mal eine Nacht darauf verzichten, ohne dass Nebenwirkungen auftreten. Während des Golfkriegs wurde es sogar britischen Piloten verschrieben. Wenn mich die Leute fragen, wie ich das anstelle, sage ich, dass ich manchmal Modafinil einnehme, um meinen Schlafbedarf zu reduzieren. Und das ist noch nicht mal völlig gelogen, denn ich habe es wirklich gegen meine Narkolepsie eingenommen. Es war nur nicht stark genug. Jetzt, wo 24/7 frei erhältlich ist, kann ich natürlich offen sagen, dass ich darauf umgestiegen bin.«
Sie nickte. »Also … du nimmst das jetzt seit über einem Jahr, ohne das irgendwas falsch gelaufen ist?«
Die Frage war eigentlich ganz harmlos, hatte aber eine dramatische Wirkung: Marcus’ Gesicht wurde starr. Seine Augen wurden schmal, und er versteifte sich am ganzen Körper. Knallrote Flecken erschienen auf seinen Wangen.
»Wie kommst du überhaupt darauf, mir diese Frage zu stellen? Wie kommst du darauf, ich hätte etwas Falsches getan?«
Vielleicht lag es an ihrer Nervosität oder daran, wie unerwartet das kam, aber Cynthia musste sich auf einmal schwer
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