Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Appetit mehr, Dan machte sich über einen Cheeseburger her. Braune Sauce lief ihm übers Kinn und verschwand in seinem Bärtchen. Cynthia sah zu Damien hinüber, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie gern gehen würde. Aber er musterte den Tisch nachdenklich und fragte: »Wie würdet ihr diese Mahlzeit nennen? Spätes Abendessen? Oder Nachtessen?«
Dans Augen leuchteten auf. Er ließ seinen Burger sinken und sagte: »Witzig, dass du das fragst! Ich suche schon die ganze Woche nach einer Antwort auf diese Frage.«
»Ach, wirklich?«, fragte Cynthia und dachte im Stillen, dass in der Architekturbranche offenbar gerade ziemlich Flaute herrschte.
Dan nickte, ohne sie anzusehen. »Jetzt, wo wir acht Stunden mehr zur Verfügung haben, fällt mindestens eine Mahlzeit mehr an: so gegen Mitternacht.« Er strich über sein Bärtchen. »Und die braucht einen Namen. Ich fände es irreführend, ein Wort zu verwenden, das auch tagsüber gebräuchlich ist. Ich dachte an ›Munch‹. So wie Lunch oderBrunch, aber mit ›M‹ für Mitternacht.« Dan sah sich Beifall heischend um.
»Oh, das ist so was von clever!«, rief Edith und klatschte in die Hände. »Hört sich gut an«, sagte Felicity achselzuckend.
»Wenn alle dafür sind, poste ich es morgen«, sagte Dan.
»Posten?«, fragte Cynthia matt.
Wieder dieses überhebliche Lächeln. »Auf meiner Website. Sie hat unter anderem den Zweck, Konzepte zu propagieren, die mit unserer neuen Lebensform einhergehen. So kann ich neue Begriffe prägen und für eine möglichst große Verbreitung sorgen. Heute in einem Monat werden schon alle ihre Freunde zum Munch einladen.«
Edith strahlte. »Und wir können sagen, dass wir dabei waren, als alles angefangen hat.«
»Wir Glücklichen«, sagte Cynthia und versuchte wieder, Damiens Blick aufzufangen, ihm verstohlen zuzulächeln. Aber er schien sie gar nicht zu bemerken.
Dan sah in die Runde. »Stimmen wir ab!«, sagte er. »Alle, die dafür sind, das Mitternachtsmahl ›Munch‹ zu nennen, sagen ›Jawohl‹.«
»Jawohl«, riefen Edith und Felicity im Chor.
»Von mir aus«, murmelte Ruth, nachdem ihre Mutter ihr einen Stoß mit dem Ellbogen versetzt hatte. Cynthia sah zu Leonard hinüber. Der Blick des Anwalts war auf sein iPhone geheftet, seine Finger huschten über das Display. Er sah nur kurz auf und sagte mit leichtem Achselzucken: »Klar.«
Cynthia wandte sich Damien zu und fühlte sich auf einmal ganz angespannt. Sie legte eine Hand auf sein Knie, beugte sich vor und flüsterte: »Wollen wir gehen und sie mit ihrer Munch-Debatte alleine lassen?« Mit pochendem Herzen wartete sie auf seine Antwort, plötzlich fast überwältigt von dem Gefühl, dass etwas Wichtiges auf dem Spiel stand. Bitte schau mich an!, flehte sie innerlich. Sag diesem Ziegenbart,dass wir gehen müssen. Dann machen wir uns unterwegs über diesen lächerlichen Typen lustig, und zu Hause werden wir uns lieben. Aber zuerst sieh mich an. Jetzt. Bitte .
Damien drehte sich weg und wandte sich Dan zu. Er hob sein Glas.
»Jawohl!«, sagte er.
16
Wäre Cynthia nicht so müde gewesen, wäre bestimmt alles anders gelaufen. Aber nach dem Kneipenabend mit den Shiftern hatte sie weniger als fünf Stunden geschlafen, und der Tag danach war anstrengend gewesen. Es war fast acht Uhr abends, als sie ihren letzten Artikel fertig hatte und mit einem Gähnen abschickte. Sie hatte den Nachmittag auf einer Einwandererdemo verbracht, und von der stundenlangen wütenden Megafonbeschallung hatte sie Kopfschmerzen bekommen. Während sie in ihren Mantel schlüpfte, schwelgte sie in Plänen für den Abend: ein Schaumbad, eine DVD und früh ins Bett. Sie ging schon zum Lift, als ihr Schreibtischtelefon klingelte.
Sie zögerte. Sollte doch der Anrufbeantworter drangehen. Bestimmt war das nur so ein PR-Fuzzi oder irgendein Wichtigtuer, der sich für einen Whistleblower hielt. Am besten, sie ließ es läuten und ging nach Hause. Das Telefon schrillte. Beim vierten Klingeln griff sie schließlich zum Hörer.
Nicks Stimme klang gepresst. »Es hat einen weiteren Mord gegeben.«
Cynthia ließ sich auf ihren Stuhl fallen und suchte in dem Weißen-Kaninchen-Becher nach einem Stift. »Was? Wer? Wann hat man … Wo?«
Er lachte trocken. »Ihr Journalisten nehmt die W-Fragen wirklich ernst! Hör zu, ich bin mir nicht sicher, ob es derselbe Typ ist, weil wir die Leiche noch nicht geborgen haben. Aber uns wurde gemeldet, dass es aus einem Abflussrohr am Islingtoner Shepherd’s Walk stinkt.
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