Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Als einBeamter nachsehen ging, hat er eine weibliche Leiche entdeckt. Die Spurensicherung ist gerade dort. Wir haben die Presse noch nicht informiert, aber falls du zufällig in der Nähe sein solltest, könntest du zusehen, wie die Leiche rausgeholt wird. Und falls dir auffällt, dass sie geflochtene Haare hat …«
Cynthia war wieder hellwach vor lauter Aufregung. »Wirst du auch dort sein?«
»Nein«, erwiderte Nick seufzend. »Ich muss an meinem Schreibtisch bleiben und alles koordinieren. Vermutlich hocke ich bei Sonnenaufgang immer noch hier.«
»Während ich eine heiße Verabredung mit einer stinkenden Leiche habe.«
»So, wie’s aussieht, werden wir heute Nacht beide nicht viel Schlaf bekommen.«
»Tja«, sagte Cynthia. »Schlaf wird ohnehin überbewertet, wie ich jetzt weiß.«
Den Shepherd’s Walk zierte ein Absperrband. Flutlicht erhellte den Asphalt. Spurensicherer untersuchten auf allen vieren jeden Zentimeter des abgesperrten Bereichs. Es dauerte ewig.
Cynthia ertappte sich mehrmals dabei, wie sie fast einnickte, und schaltete das Autoradio ihres Minis ein, während sie sich mit dem Handballen die Augen rieb. Sie durfte auf keinen Fall einschlafen, bevor die Leiche geborgen war. Sie starrte durch die Windschutzscheibe auf die Polizeiautos. Die Brücke weiter vorn war gesperrt und wimmelte nur so von Polizisten. In der Dunkelheit schwamm ein Schwan unter der Brücke hindurch.
Wie lange konnte das denn dauern, ein paar Spuren zu finden und die Leiche aus dem Rohr zu ziehen? Sie ließ ihr Fenster herunter, vielleicht würde die frische Luft sie wieder wach machen. Doch entsetzlicher Verwesungsgeruchdrang in den Wagen, und sie musste würgen. Schnell schloss sie das Fenster wieder. Im Radio lief Sting. » Every step you take, every move you make, I’ll be watching you« , sang er. Ein Lied über einen Stalker. Wie passend! Sie fragte sich, ob der Mörder die junge Frau im Abflussrohr schon lange beobachtet hatte, bevor er sie tötete. Ob er sie gekannt oder sie nur zufällig ausgewählt hatte.
Jemand klopfte gegen die Scheibe, und Cynthia fuhr zusammen. Eine Taschenlampe schien ihr ins Gesicht, und sie zuckte zurück. Ein Polizist. Zögernd ließ sie das Fenster herunter und atmete möglichst flach. »Hallo, Officer, was kann ich für Sie tun?«
Der Lichtkegel suchte ihren Wagen ab, wanderte zum Rücksitz und dann auf den Boden.
»Sie parken schon eine ganze Weile hier. Gibt es ein Problem?«
Die Taschenlampe leuchtete ihr wieder ins Gesicht. Cynthia kniff die Augen zusammen und suchte in der Manteltasche nach ihrem Presseausweis.
»Ich arbeite für den Sentinel «, sagte sie und reichte ihn der Gestalt, die sie nur in Umrissen erkannte. Der Lichtkegel wanderte nach unten und beleuchtete den Ausweis. Jetzt konnte Cynthia den Beamten sehen. Er war mittleren Alters, hatte ein zerklüftetes Gesicht und dicke Augenbrauen. Ein Luftzug kam durchs Fenster, und Cynthia musste wieder würgen. »Mein Gott!«, sagte sie mit tränenden Augen. »Wie halten Sie den Gestank bloß aus?«
»Eukalyptusöl, direkt unter den Nasenlöchern – das hilft.« Grinsend gab er ihr den Ausweis zurück.
»Und?«, fragte Cynthia mit ihrem freundlichsten Lächeln. »Schon was Interessantes gefunden?«
Der Polizist räusperte sich. »Kein Kommentar. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Das dauert noch ’ne Weile. Nur so ein Tipp von mir: Sie sollten lieber wieder in die Redaktionfahren und auf die Presseerklärung warten. Gute Nacht.«
Damit marschierte er zurück zur Brücke und ließ Cynthia im Dunkeln allein. Sie drehte das Radio wieder auf. Eine Stimme verlas die Fußballergebnisse. Es begann zu regnen. Die Tropfen prasselten gegen die Windschutzscheibe und ließen die Polizeischeinwerfer verschwimmen. Cynthia war froh, dass sie nicht bei der Spurensicherung war. Im Regen herumkriechen und nach Blut- und Kleidungspartikeln Ausschau halten, Verwesungsgestank einatmen – sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen. Cynthia schloss die Augen. Hier war es zumindest warm und trocken. Hier …
Jemand klopfte gegen die Scheibe. Cynthia fuhr hoch. Der Polizist musste zurückgekommen sein. Sie öffnete die Augen und sah mit Entsetzen, dass es schon hell war. Sie schaute sich um. Die Polizeiautos und Spurensicherer waren verschwunden. Ein einsamer Constable hielt am Absperrband Wache.
Sie musste eingeschlafen sein. Verdammt, verdammt, verdammt! Ein genervt aussehender Mann stand vor ihrem Fenster.
»He!«, schrie er
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