Du stirbst zuerst
aber schon mitten in der Ausbildung und hatte bereits festgestellt, dass es mir Spaß macht.«
»Sie helfen gern anderen Menschen.«
»Genau.«
»Haben Sie eine allgemeine Pflegeausbildung gemacht, oder gibt es spezielle Kurse für Psychiatrie?«
»Ein eigenes Fachgebiet gibt es dafür nicht, oder es gab keins an meiner Schule. Ich …«
»Was wissen Sie eigentlich über die Patienten hier und die Krankheiten, an denen sie nach Ansicht der Ärzte leiden?«
Überrascht erwidert er meinen Blick, dann rührt er die Hafergrütze um. »Ich arbeite seit fast zwei Jahren hier und habe eine Menge aufgeschnappt, aber ich habe keine diagnostische Ausbildung, falls Sie das meinen.«
»Also helfen Sie uns gern, aber Sie wissen eigentlich nicht genau, was …«
»Mike«, unterbricht er mich energisch. »worauf wollen Sie hinaus?«
Ich hole tief Luft. »Wenn ich Sie überzeugen könnte, dass ich nicht verrückt bin, dass es in dieser Klinik wirklich eine Verschwörung gibt und ich deshalb gefangen gehalten werde – was täten Sie dann?«
Er starrt mich an.
»Es ist eine schwierige Frage, und ich sollte sie vielleicht nicht stellen. Aber mir bleibt keine andere Wahl. Es tut mir leid. Bitte, antworten Sie mir: Was täten Sie?«
Er lacht leise und schüttelt den Kopf. »Ich werde es wohl nie lernen.«
»Devon …«
»Was ist es denn jetzt schon wieder? Männer ohne Gesichter oder so?«
»Haben Sie sie gesehen?«
»War nicht auch eine Frau dabei? Eine Nachtschwester, die es nicht gibt?«
»Sie sind real – ich meine die Männer. Was ich von der Nachtschwester halten soll, weiß ich nicht genau.«
»Ja.« Er nickt. »Ja, manchmal passiert mir das eben.« Er hebt einen Löffel mit Hafergrütze, hält ihn mir aber nicht vor den Mund, sondern starrt ihn nur an. »Sie sind wirklich klug, Mike, und manchmal falle ich darauf herein.«
»Sie glauben mir nicht.«
Er seufzt. »Sie sind krank, und wir helfen Ihnen, gesund zu werden. Kämen Sie nicht viel besser in einer Welt zurecht, in der Sie nicht gejagt werden, in der Sie sich nicht verstecken, Pläne aushecken und weglaufen müssen? Wünschen Sie sich das nicht?«
»Das wünsche ich mehr als alles andere«, zischele ich. »Glauben Sie, es gefällt mir, hier drinnen mit den Gesichtslosen und Phantomfrauen festzusitzen, während das verdammte Uhrenradio jede meiner Bewegungen beobachtet? Wissen Sie, was gestern Abend passiert ist? Eine Made ist eingedrungen. Eine Riesenmade, größer als Sie. Sie ist durch die Tür hereingeglitten. Natürlich war sie nicht real. Ich gäbe alles dafür, dass sie nicht real war. Aber wenn doch? Was ist, wenn hier wirklich etwas Finsteres vor sich geht, an dem die Regierung beteiligt ist? Oder es sind Außerirdische oder was weiß ich … irgendetwas eben. Wenn wir nun etwas unternehmen könnten, um das zu unterbinden? Was täten Sie dann?«
Er rührt die Hafergrütze um und beobachtet die Erhebungen und Vertiefungen in dem Brei. Dann schöpft er einen Löffel voll heraus und bietet ihn mir an. »Kommen Sie, Mike, wir wollen einfach zu Mittag essen, ja?«
»Ich meine es ernst.«
Er hält mir den Löffel vor den Mund. »Wir wollen einfach nur essen.«
»Ich will nichts mehr.«
»Schon gut«, sagt er. »Tut mir leid, dass es nur Hafergrütze gibt, aber das ist so ziemlich das einzige Gericht, das es für … äh … fixierte Patienten gibt. Für Leute, die gefüttert werden müssen.« Er steht auf. »Wir sehen uns zum Abendessen.«
»Ich will kein Abendessen!«
Er wendet sich um und geht.
»Ich will hier raus!«
Zum Abendessen gibt es abermals Hafergrütze. Dieses Mal kommt ein zweiter Pfleger als Verstärkung mit und achtet darauf, dass ich genug esse. Zuerst wehre ich mich, dann halten sie mich fest und zwingen mir das Essen hinein. Irgendwann gebe ich auf und esse alles auf.
Ich will mir vorstellen, Pfirsiche zu essen, aber das klappt nicht.
Doktor Little kommt jeden Abend mit einem Trupp Wachleuten und Pflegern, um mir zwangsweise das Medikament zu verabreichen. Ich wehre mich jedes Mal, und nach ein paar Minuten greifen sie unweigerlich zur Spritze. Sie versuchen es aber weiterhin zuerst anders. Jede Nacht schlafe ich wie ein Toter und tauche jeden Morgen aus einer unendlichen, ursprünglichen Leere auf.
Flankiert von dem größten Pfleger, den ich je gesehen habe, führt Doktor Little mich in den Flur. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Michael.« Wir gehen zur Pforte. Ich bleibe kurz vor der Tür des Stationszimmers
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