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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Little mit einer neuen Schwester. Sie gehört nicht zu den Mitarbeitern, die sonst hier tätig sind, sondern sie ist eine Medizintechnikerin, die ich noch nie gesehen habe. Sie trägt ein Tablett mit Nadeln und Schläuchen herein. Hinter ihnen passt ein finsterer Wachmann auf.
    »Guten Morgen, Michael!« Doktor Little klebt das Lächeln wieder im Gesicht. Ganz breit und entzückt, die Augen weit aufgerissen und hinter der Brille leicht hervorstehend. »Haben Sie gut geschlafen?«
    Ich werfe einen Blick zum Uhrenradio. Er bemerkt es, das Lächeln verändert sich trotzdem nicht.
    »Wie ich Ihnen gestern schon sagte, beginnen wir heute Morgen mit einem Mittel, das Clozapin heißt.«
    Ich betrachte die Schwester, die das Tablett auf dem Schränkchen abstellt. »Ist das eine Spritze?«
    »Das muss nicht sein.« Er hält einen kleinen Plastikbecher mit einer winzigen gelben Pille hoch. Ich betrachte sie genauer und stelle fest, dass sie halbiert ist. »Zwölf Komma fünf Milligramm«, sagt er. »So klein, dass Sie nicht mal was zum Hinunterschlucken brauchen, aber wir haben natürlich Wasser mitgebracht.« Er lächelt wieder, und die Schwester bugsiert mich zum Bett. »Auf jeden Fall müssen wir Ihnen aber ein wenig Blut abnehmen. Nichts Schlimmes, nur für einen Test.«
    Ich strecke den Arm aus, worauf mir die Schwester den Plastikschlauch um den Arm wickelt. »Können Sie nicht etwas mit dem Blut machen, damit die Dyskinesie aufhört?« Wenn sie das hinkriegen, brauche ich vielleicht gar kein neues Medikament.
    »Leider nein, Michael. Die Dyskinesie verschwindet von allein oder überhaupt nicht. Wir hoffen sehr, dass wir die Behandlung früh genug abgebrochen haben, um das Schlimmste zu verhindern. Bei Clozapin ist die Wahrscheinlichkeit einer Spätdyskinesie äußerst gering, gar nicht zu vergleichen mit den anderen Neuroleptika, die Sie versucht haben. Das macht uns im Grunde überhaupt keine Sorgen, aber wir werden Sie natürlich für alle Fälle genau im Auge behalten.« Die Schwester reibt die Armbeuge mit Desinfektionsmittel ab und bereitet die Spritze vor. Sie sticht mir in eine Vene und zapft Blut ab, während Doktor Little fortfährt. »Davon abgesehen ist Clozapin das wirkungsvollste Mittel gegen Schizophrenie, das wir überhaupt haben, und da Sie nun mitarbeiten …«
    »Warten Sie mal«, unterbreche ich ihn. »Es ist das wirkungsvollste Mittel und hat keine Nebenwirkungen? Warum haben Sie es nicht von Anfang an eingesetzt?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass es überhaupt keine Neben­wirkungen hat, Michael. Ich sagte nur, dass die Spät­dyskinesie nicht dazu zählt. Bei Clozapin gibt es ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb der Bluttest. Wir prüfen Ihr Blut alle vier Tage, um festzustellen, wie das Medikament wirkt, und zum Vergleich nehmen wir vor Einsatz des Mittels eine Probe.«
    »Was?«
    Die Schwester zieht die Nadel aus der Vene und presst ein Stück Baumwolle auf den Einstich. Ich beuge den Arm, übe Druck auf die Watte aus, damit sie an Ort und Stelle bleibt, und stehe wütend auf. »Ich bekomme davon eine Herzkrankheit?«
    »Nicht, wenn wir regelmäßig Ihr Blut untersuchen. Dann kann überhaupt nichts passieren. Ohne die regelmäßigen Untersuchungen wäre es gefährlich. Das Risiko ist sogar recht hoch. Deshalb setzen wir Clozapin nur bei Patienten ein, die gegen andere Behandlungsarten extrem resistent sind.«
    »Das klingt mir aber nicht nach dem Motto Es kann überhaupt nichts passieren .«
    »Entschuldigen Sie die Wortwahl, Michael.« Er bietet mir den Becher mit der Pille an, den ich nicht annehme. »Absolute Sicherheit gibt es nicht. Sie sind allerdings in einem Krankenhaus, Sie sind jeden Tag und jede Stunde von Ärzten und Pflegern umgeben, und hier gibt es medizinische Einrichtungen, die auf jeden Notfall vorbereitet sind.«
    »Wird denn ein Notfall eintreten?«
    »Wir werden alles Menschenmögliche tun, um dies zu verhindern.«
    »Sie brauchen meine Einwilligung, wenn Sie so etwas machen.«
    »Wir haben die Zustimmung Ihres Vaters.« Er lächelt. »Er hat gestern Abend unterschrieben.«
    Ich starre ihn kurz an, dann wende ich mich ab. Ich bin ein Patient im Irrenhaus und darf nicht mehr selbst entscheiden. Also hole ich tief Luft und fahre mir mit den Fingern durchs Haar. Ich muss nachdenken.
    »Hören Sie, Michael«, sagt Doktor Little und kommt etwas näher heran. »Das Seroquel hat gewirkt, und das wussten Sie auch. Sie haben das Mittel gemocht. Endlich waren Sie

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