Du stirbst zuerst
Tasche mit einem lauten Klicken. »Was wissen Sie über diese Organisation?«
»Es ist keine Organisation«, erwidere ich mürrisch. »Das ist eine Sekte.«
»Na gut«, sagt er. »Aber für eine Sekte ist die Gruppe bemerkenswert gut organisiert. Die Mitglieder betreiben eine Farm, verkaufen Obst und Käse an einem Straßenstand und können sich fast vollständig selbst versorgen. Das Einzige, was sie von außerhalb beziehen, ist das Wasser.«
»Keinen Strom?«
»Sie benutzen seit fast zwanzig Jahren keinen Strom mehr«, erklärt er. »Sie haben sogar die Leitungsmasten abgerissen, über die sie früher versorgt wurden. Im Grunde sind sie Maschinenstürmer. Neben ihnen wirken die Amish wie Hightech-Jünger.«
Ich schlucke nervös. Warum macht mir das solche Angst? Ich reibe die Hände aneinander, damit sie warm werden. »Was hat das mit mir zu tun?«
»Zweierlei.« Er nimmt ein Stück Papier aus der Aktentasche, auf dem ich eine lange Reihe von Namen erkenne. »Erstens: Unter den dreizehn Opfern des Wellnesskillers waren neun Mitglieder der Kinder der Erde. Die anderen vier hatten indirekt mit ihnen zu tun – Freunde, Familienangehörige und so weiter.« Er legt das Blatt weg und holt ein amtliches Dokument hervor. »Zweitens: Im Augenblick lebt die Sekte in einem landwirtschaftlich geprägten Gebiet außerhalb von Chicago. Das Zentrum ist das ehemalige Heim von Milos Cerny.«
Nun merke ich auf. »Ist das der Milos Cerny? Der Kidnapper?«
»Ich fürchte ja. Aber das ist noch nicht einmal das Verrückteste.« Er legt das Dokument weg und holt eine weitere Liste mit Namen heraus. Diese ist kürzer als die erste. »Von den fünf Kindern, die vor zwanzig Jahren aus dem Haus von Milos Cerny gerettet werden konnten, waren vier vorher von zu Hause weggelaufen, um sich den Kindern der Erde anzuschließen. Sie waren zwischen vierzehn und siebzehn Jahre alt. Die Polizei hat sie natürlich zu ihren Eltern zurückgeschickt, doch sobald sie alt genug waren und die Eltern sie nicht mehr festhalten konnten, sind sie geradewegs zu der Sekte zurückgekehrt. Alle«, er hält kurz inne, »bis auf Sie.«
Ich runzle die Stirn und weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich bin nicht einmal sicher, wie ich darüber denken soll. »Waren sie …« Mir ist schwindelig, als schlüge mein Herz viel zu schnell. »Haben die Anhänger des Kults Cerny geholfen, die Frauen zu entführen? Haben sie sogar bei den Morden mitgewirkt? Warum sind sie nicht im Gefängnis?«
»Einige wurden verurteilt«, beruhigt er mich, »aber sie waren nur Handlanger, und alle haben ihre Strafen abgesessen oder sind auf Bewährung entlassen worden.«
Ich lehne mich zurück. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Ich fürchte, das entspricht der Wahrheit. Jetzt verstehen Sie sicher, warum ich mit Ihnen reden wollte.«
»Glauben Sie, die werden auch mit mir Kontakt aufnehmen?«
»Ehrlich gesagt, wundere ich mich, dass sie es nicht schon längst getan haben. Nachdem die anderen vier Kinder zur Sekte zurückgekehrt waren, haben wir uns mit Ihrem Vater in Verbindung gesetzt und uns nach Ihnen erkundigt. Wir haben auch Ihre Schule einbezogen. Ihr Name ist im System dick unterstrichen, seit wir überhaupt ein System haben, aber bisher hat es unseres Wissens keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Sekte Sie kontaktiert hat. Wir hoffen, Sie können uns vielleicht mehr darüber erzählen.«
»Warten Sie mal.« Ich schiebe den Stuhl zurück. »Wollen Sie mir erzählen, dass ich die ganze Zeit tatsächlich von der Regierung überwacht wurde? Ich dachte, ich sei paranoid oder verrückt, inzwischen sitze ich in diesem verdammten Irrenhaus und schlucke Pillen wie Bonbons, und jetzt erzählen Sie mir, das ich die ganze Zeit recht hatte?«
»Michael …«
»Sind es die Uhren? Sind Sie diejenigen, die mich durch die Uhren beobachten? Und was ist mit …«
»Michael«, wiederholt er etwas nachdrücklicher, »bitte beruhigen Sie sich. Sie wurden nicht überwacht. Sie wurden einfach im System als wichtig gekennzeichnet. Das ist etwas ganz anderes. Es bedeutet nur, dass ich jedes Mal, wenn Sie in einem Polizeibericht oder einer Krankenakte oder so auftauchen, eine kleine E-Mail bekomme, die ich lese. Das ist alles.«
»Sie haben mich beobachtet.«
»Ich habe Sie beschützt. Hören Sie zu, Michael. Die Leute, die Sie und Ihre Mutter entführt haben, sind immer noch da draußen unterwegs, und sie haben offenbar auch mit einer Reihe von Morden zu tun. Unterdessen bemühe ich mich
Weitere Kostenlose Bücher