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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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zugreifen. Ich muss einen sicheren Zufluchtsort finden.
    Die Powell-Klinik für Psychiatrie liegt in einer relativ teuren Gegend, einem Geschäftsviertel mit Bürohäusern, Bäumen und Ladenzeilen. Zwei Blocks weiter weichen die Wolkenkratzer Tankstellen und Autohandlungen. Hier wird der Himmel von hohen Masten und einem Gewirr aus Leitungen unterteilt. Ich bin nicht der Einzige, der durch den Regen läuft, und frage mich, wovor die anderen fliehen. Kurz danach entferne ich mich von den Überwachungskameras an den großen Kreuzungen und durchquere auf Seitenstraßen ein Gewerbegebiet voller Schnellbauwände, Stacheldraht und großen, einsamen Lagerhäusern. Einige Toreinfahrten sind ebenfalls mit Kameras ausgestattet. Inzwischen ist die Kleidung nass, und die müden Beine schleppen sich zäh dahin. Ich wische mir den Regen aus den Augen und gehe weiter.
    Zum Freeway, und dann nichts wie hinaus aus der Stadt. Das ist die einzige Möglichkeit.
    Ich komme an alten Reinigungen und Pfandleihern vorbei, gehe durch Slums, durch schmale Gassen und Geschäftsviertel, bis ich endlich eine Auffahrt erreiche. Dort bleibe ich stehen, reibe die Hände aneinander und trampele in der Kälte von einem Fuß auf den anderen. Als ein Auto vorbeikommt, halte ich den Daumen raus. Nichts. Gleich darauf kommt noch eins. Um diese Nachtzeit fahren nicht viele Autos aus der Stadt hinaus, und die wenigen, die kommen, bremsen nicht einmal ab. Die Zeit vergeht, langsam wird der Himmel hell. Noch drei Autos, noch einmal vier, dann wieder nichts.
    Das zehnte Auto hält.
    »Möchten Sie mit?«
    Ich schlurfe hinüber. »Wohin fahren Sie?«
    »Nach Manteno. Ist das weit genug?«
    »Klar.« Ich strecke die Hand zum Türgriff aus, dann halte ich inne.
    Der Mann winkt mir. »Steigen Sie ein.«
    Ich rühre mich nicht. Zum zweiten Mal bin ich geflohen, und abermals kann ich die Gelegenheit nicht ergreifen. Es gibt zu viele andere Opfer, Erwachsene und sogar Kinder. Andere Tote. Die Gesichtslosen sind real, und es genügt nicht, mich selbst zu befreien, wenn so viele Menschen Gefangene des Plans bleiben.
    Zudem weiß ich immer noch nicht, worin dieser Plan überhaupt besteht.
    »He, Kumpel, wollen Sie nicht einsteigen?«
    Ich erwidere seinen Blick. »Haben Sie eine Zeitung?«
    »Was?«
    Doktor Little sagte mir, dass mich ein Mädchen besuchen wollte, und dann kamen zwei. Lucy entpuppte sich als Halluzination … was bedeutet, dass die Reporterin real war. »Die Sun Times «, sage ich. »Haben Sie ein Exemplar davon?«
    »Nein, habe ich nicht. Wollen Sie jetzt mitfahren oder nicht?«
    »Nein, danke. Ich muss eine Zeitung auftreiben.«
    »Wie Sie wollen, Mann.« Er kurbelt das Fenster wieder hoch und fährt los. Ich kehre auf dem gleichen Weg zurück und entdecke auf dem Gehweg einen dunklen, mit einer Klappe versehenen Mülleimer, der an einen Laternenpfahl geschraubt ist. In dem grellen gelben Schein gehe ich langsam darauf zu und ziehe den Deckel hoch. Der Mülleimer riecht nach verdorbenem Essen und quillt fast über. Vorsichtig wühle ich darin herum, entgehe dem übelsten Unrat und ziehe eine zusammengefaltete Zeitung heraus. Es ist noch etwas heller ge­worden, die ersten Sonnenstrahlen durchbrechen das nächtliche Grau. Auf der siebten Seite entdecke ich Kellys Namen über einem Bericht über eine Schießerei. Kelly Fischer. Sie ist real. Sie berichtet über Verbrechen, wie sie es mir erzählt hat. Im Impressum finde ich neben den üblichen Kontaktdaten auch eine Telefonnummer für Informanten. Einen Block weiter stoße ich auf ein Münztelefon. Das ist die einzig sichere Art, denn hier werden die Impulse durch abgeschirmte Leitungen übertragen, statt schmerzhaft durch die Luft zu summen. Das ist erschreckend genug, aber lange nicht so schmerzhaft. Ich werfe einen Vierteldollar in den Schlitz und wähle.
    Freizeichen.
    Dann klärt mich ein Anrufbeantworter über die Büro­zeiten auf. Eilig und schwer atmend lege ich auf. Maschi­nen sind schon schlimm genug, auch ohne dass sie mit mir zu reden versuchen.
    Ich blicke zum heller werdenden Himmel hinauf. Es ist noch früh, ich kann mich ausruhen und wieder anrufen, wenn sie im Büro ist. Der Eingang eines Park­hauses bietet mir einen Unterschlupf, wo ich mich vom Regen geschützt hinlegen kann. Ich decke mir die Zeitung über den Kopf und versuche zu schlafen.
    Ich träume von einer leeren Stadt mit zahllosen leeren, ziellos umherschlurfenden Menschen.
    Freizeichen.
    »Sun-Times.«
    »Ich möchte mit

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