Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Prize 2011. Und die Shortlist 2012. Wenn sie rauskommt
Meine Beziehung mit meinem Vater in Ordnung bringen . Meinen Vater regelmäßig besuchen – vielleicht einmal im Monat zum Abendessen?
Ich höre, wie Dom die Treppe raufkommt, also schließe ich die Datei schnell und auch den Hotmail-Account. Stattdessen klicke ich auf meine Notizen, die ich bei dem Gespräch mit Annie gemacht habe. War ich eigentlich früher schon so ein Geheimniskrämer? Dom steckt den Kopf durch die Tür.
«Möchtest du einen Tee, Süße?»
«Nein danke, im Moment nicht. Prost!» Ich hebe das halbvolle Weinglas, das auf dem Nachttisch steht.
«Packst du heute Abend noch?»
«Eigentlich wollte ich das erst morgen früh machen», sage ich.
«Wir müssen schon um neun Uhr am Flughafen sein, Nic. Was bedeutet, dass wir hier um halb acht Uhr abfahren.»
«Um acht.»
«Um halb acht.»
«Okay, bitte.»
Ich ziehe einen Stuhl rüber zum Schrank und steige drauf, um die Koffer aus dem oberen Fach zu heben. Als ich meinen herausziehe, schmeiße ich eine der Kisten herunter, die wir Weihnachten hier verstaut haben. Mit einem Knall landet sie auf dem Boden, und alles fällt heraus. Gerade will ich die Sachen wieder aufsammeln, da kommt Dom hereingelaufen.
«Ist alles okay?»
«Ja, nichts passiert. Ich bin nur ungeschickt.»
Er hilft mir die Papiere und Fotografien wieder einzusammeln. Als wir fertig sind, bemerke ich noch einen Streifen unter dem Stuhl vor dem Schrank. Dom und ich bücken uns gleichzeitig, um ihn aufzuheben, stoßen mit den Köpfen zusammen und lachen. Er schnappt sich den Streifen zuerst. Es ist die Fotoserie, die ich schon Weihnachten in der Hand hatte. Ich, Julian und Alex 1999. Wir haben sie an der Aldgate East Station gemacht, ein paar Tage nachdem wir in die Wohnung in der Brick Lane gezogen waren.
«Das ist wirklich seltsam.» Dom legt den Streifen mit den Fotos wieder in die Kiste.
«Nicht», sage ich, «pack die Bilder nicht weg.» Ich nehme mir den Streifen und lege ihn auf den Nachttisch.
«Wie kalt ist es in New York, hast du mal geschaut?», fragt Dom und holt seinen Koffer aus dem Schrank.
«Die BBC behauptet, es wäre für die Jahreszeit ziemlich mild. So sieben, acht Grad, denke ich mal. Aber deren Wettervorhersagen sind oft genug Mist, also, wer weiß?»
«Du könntest ja bei jemandem nachfragen, der tatsächlich dort wohnt. Karl zum Beispiel … oder Alex?» Dom lächelt versuchsweise. Ich erwidere sein Lächeln, sage aber nichts. «Wirst du dich mit ihr treffen?», will er wissen. «Kommt sie zur Silvesterparty?»
«Nein, Karl hat sie nicht eingeladen.»
«Warum sagst du ihm denn nicht, dass du ihr verziehen hast, Nic? Ihr könntet euch wieder öfter sehen. Das ist alles … so lange her.»
«Zwei Jahre. Und ich habe ihr nicht verziehen, Dominic. Ich kann nur nicht ohne Alex leben. Ich kann ohne die beiden nicht leben.»
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12. Kapitel
Silvester 2003
London
Neujahrsvorsätze:
BBC den Dreiteiler über Flüchtlinge vorschlagen
Super Junggesellinnenabschied für Alex organisieren
Fünf Kilo abnehmen
Recherche-Trip nach Korea organisieren
Zur Abwechslung mal versuchen, Beziehung mit verantwortungsbewusstem Erwachsenen einzugehen. Du bist zu alt für wilde Jungs auf Motorrädern.
Beim Thema Erwachsene – ich war laut höchst offizieller Karte herzlich zur Einweihungs-/Silvesterparty im Tabard Wharf 6 eingeladen, der neuen und exklusiven Residenz von Karl Schnelle und Julian Symonds. Cocktails ab 18 Uhr 30.
Es wurde eine sehr erwachsene Angelegenheit. Sehr zivilisiert. Nicht gerade eine wilde Party. Vor allem, weil nur sechs von uns dabei waren: die Gastgeber; Mike und Alex; ich und mein neuer Freund Dominic.
«Ich dachte, ein nettes, ruhiges Silvester wäre genau das Richtige für uns», sagte Julian, als ich fragte, seit wann wir bitte so unglaublich langweilig geworden waren.
«Na ja, außerdem sind Alex und Mike bis zum Dreißigsten zum Skilaufen in Verbier und haben da schon genug gefeiert. Und du musst auch erschöpft sein.»
Das stimmte, ich war gerade erst von Dreharbeiten in Russland zurückgekommen. «Außerdem bin ich ab dem Dritten wieder unterwegs, also …»
«Wohin denn, Jules?»
«Das erzähle ich Silvester, wenn wir alle zusammen sind.»
Julian und Karl hatten schon vor einigen Jahren eine gemeinsame Wohnung in Camberwell bezogen. Jetzt hatten sie den nächsten Schritt gewagt und eine Hypothek aufgenommen. Eine ziemlich hohe Hypothek –
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