Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Hochzeit, aber eingetragene Lebenspartnerschaften werden auch hier bald erlaubt sein – also, warum nicht?»
Julian seufzte dramatisch. «Oh weh, ich dachte immer, Homosexualität würde einen wenigstens vor der Ehe bewahren. Warum sollten wir die Heten-Spielchen mitmachen? Das ist ein so furchtbares Leben. Schwule haben viel mehr Spaß.»
Alex und ich tauschten neidvolle Blicke: Wir hatten uns schon oft über Julians und Karls perfekte Beziehung unterhalten. Es gab einfach nichts dran auszusetzen. Sie hatten einander nie über; sie stritten nie. Sie hielten zusammen. Sie vergötterten einander. Und – wenn man Julian glauben durfte – hatten sie auch noch großartigen Sex. Die beiden passten einfach zusammen. Es war unglaublich deprimierend.
Gegen Mitternacht öffnete Karl noch eine Flasche Champagner, schenkte uns allen ein und schlug mit der Gabel gegen sein Glas.
«Okay. Da wir uns unsere Vorsätze nicht gegenseitig erzählen dürfen, weil das Julians und Nicoles Ding ist und sie extrem eigen mit diesem Ritual sind, nennt jetzt jeder etwas, wofür er dankbar ist.»
«Dann fange ich an.» Mike stand auf. Er räusperte sich, sah Alex an und hob sein Glas. «Bei mir ist das natürlich eine klare Sache. Ich bin dankbar dafür, dass das wunderschönste Mädchen der Welt eingewilligt hat, mich zu heiraten.» Alex lächelte geziert und klimperte mit den Wimpern. «Ihre Schönheit allerdings ist noch nicht einmal das Bemerkenswerteste an ihr, was viele nicht begreifen. Sie ist großzügig und liebenswürdig und wird mal eine wundervolle Mutter. Ich liebe sie und bin überglücklich, dass wir unser Leben miteinander verbringen werden. Das ist alles.»
Ein schönes Beispiel dafür, wie wundervoll Mike Alex behandelte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil meine links-feministischen Empfindlichkeiten mich immer wieder davon abhielten, den zukünftigen Ehemann meiner Freundin zu akzeptieren.
Alex wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und erhob sich als Nächste. «Darf ich für zwei Dinge dankbar sein?», fragte sie.
«Sie kriegt einfach nie genug», witzelte Julian.
Alex kicherte. «Ich mache es kurz. Nummer eins: Ich bin dankbar für meinen wundervollen zukünftigen Ehemann …» Sie reichte Mike die Hand, und er küsste sie. «Und Nummer zwei: Ich bin dankbar für meinen verdammt großartigen Job!» Alex war kürzlich zur Leiterin der Marketing-Abteilung bei Scribe befördert worden, dem kleinen Verlagshaus, für das sie arbeitete. Mit erst sechsundzwanzig Jahren eine stolze Leistung. «Ich habe wirklich verdammt viel Glück im Leben.»
Julian war als Nächster dran. «Ich könnte jetzt endlos über neue Möglichkeiten und Horizonte quatschen, und natürlich bin ich dafür dankbar! Aber am dankbarsten bin ich für zwei andere Dinge auf der ganzen Welt, wie ihr euch denken könnt. Zunächst mal für die Liebe meines Lebens, die ich auf den Tag genau vor drei Jahren kennengelernt habe …» Er unterbrach sich, um Karl zu küssen. «Und dann für die beste Freundin von allen, die ich heute vor dreizehn Jahren getroffen habe», fügte er hinzu und hob sein Glas in meine Richtung.
Dann folgte Karl. «Ich weiß, ich muss jetzt sagen, dass ich dankbar für Jules bin, weil wir total verknallt sind und so. Aber ehrlich gesagt bin ich im Moment am dankbarsten für diese grandiose neue Wohnung», stellte er grinsend fest. Alle ließen ein kurzes Jubeln hören. «Und natürlich dafür, dass ich in diesem Jahr vier Bilder verkauft habe – das sind vier mehr als im letzten Jahr.»
Es gab tosenden Beifall, und dann wurde es wieder still, als Dom aufstand. Er errötete schon, bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte.
«Dom muss nicht», protestierte ich, «er kennt euch alle ja gar nicht richtig.»
«Oh doch, er muss!», tönten die anderen im Chor.
«Ich bin dankbar, dass ich mit euch diesen Abend verbringen darf», begann er diplomatisch, «und natürlich bin ich dankbar dafür, Nicole getroffen zu haben. Und für Radiohead. Hail to the Thief ist verdammt genial.»
Ich seufzte erleichtert, als er sich wieder hinsetzte. Einer weiteren Liebeserklärung wäre ich nicht mehr gewachsen gewesen.
Und dann war ich an der Reihe. «Also», sagte ich und kam mir etwas lächerlich vor. «Ich bin dankbar für das Leben, das wir im Moment alle führen. Es sieht so aus … als würden sich die Dinge für uns wirklich positiv entwickeln. Wir haben tolle Jobs, großartige Liebhaber, einige von uns haben sogar
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