Du wirst noch an mich denken
zu provozieren. Zu viele Erinnerungen stürmten auf sie ein, und der Anflug von Fröhlichkeit war rasch vorbei. »Im Grunde war die ganze Sache völlig harmlos, und kein vernünftig denkender Mensch hätte ihr allzu viel Bedeutung beigemessen. Ich war bis dahin vielleicht drei- oder viermal mit Geoff ausgegangen, wir hatten uns ein paarmal geküsst, und ich war einer Fortsetzung nicht abgeneigt, aber damit hatte es sich eigentlich auch schon.« Sie zuckte die Achseln. »Kinderkram. Aber der Privatdetektiv hatte ein Foto davon, wie Geoff mich küsste, und als Wesley das gesehen hat, ist er wohl ausgerastet.« Sie fing an zu zittern.
»Du brauchst es uns nicht zu erzählen, Aunie«, sagte Lola leise. »Es ist nicht nötig, dass du das Ganze noch einmal durchlebst.«
Aber Aunie hörte sie nicht mehr. Es war zu spät, sie war bereits gefangen in einer grauenvollen Erinnerung, der sie nicht mehr entkommen konnte. Uber ihre Lippen kamen Worte, denen die Gewalt und das Entsetzen, von denen sie berichteten, etwas Obszönes verlieh.
James und Lola hörten fassungslos zu.
5
E s war einer der Tage, an denen man das Gefühl hatte, dass eigentlich nichts schief gehen konnte, einer der Tage, an denen man ein Picknick veranstaltete oder sein Auto wusch. Ein wunderbarer Nachmittag Ende September, an dem die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel auf Georgia schien und eine sanfte Brise die unerträgliche Schwüle des vergangenen Sommers vergessen ließ. Aunie, beladen mit Handtasche, Büchertasche und zwei Einkaufstüten, stieß mit der Hüfte die Tür ihres Wagens zu. Sie musste sich beeilen, ihr blieben nur knapp fünfundvierzig Minuten, bevor Geoff sie zu einem Besuch im Zoo abholte, und sie hatte noch tausend Dinge zu erledigen.
Auf dem Gehweg blieb sie kurz stehen, stützte mit dem Oberschenkel eine der Einkaufstüten ab, die ihr zu entgleiten drohte, und betrachtete das beeindruckende Entree ihres Hauses. Sie sollte es wirklich zum Verkauf anbieten, dachte sie und packte die Einkaufstüte etwas fester. Für eine allein stehende Frau war es viel zu groß, und es waren zu viele unschöne Erinnerungen damit verbunden. Sie wollte lieber irgendwo wohnen, wo sie sich wirklich wohl fühlte.
Sie schloss die Tür auf, ließ ihre Büchertasche in der Diele auf den Boden fallen, schob sie mit dem Fuß zur Seite und ging ein paar Schritte weiter zu dem kleinen Ablagetisch. Mit etwas Mühe schaffte sie es, ihre Handtasche von der Schulter gleiten zu lassen und auf dem Tischchen abzulegen, ohne dabei ihre Einkäufe fallen zu lassen. Sie ließ die Eingangstür offen stehen, um für ein wenig Durchzug zu sorgen, streifte ihre Schuhe ab und ging barfuß in die Küche.
Nachdem sie ihre Last auf dem Küchentisch abgeladen hatte, öffnete sie die Hintertür und schloss die Jalousien zum Schutz vor dem grellen Sonnenlicht, das vom Wasser im Swimmingpool reflektiert wurde. Leise vor sich hinsummend packte sie die Tüten aus und verstaute verschiedene Leckerbissen, Salz- und Pfefferstreuer, Brot, Wein, Geschirr und Besteck für zwei in der Kühltasche, die sie an diesem Vormittag hervorgekramt hatte. Sie stellte sie auf den Küchentisch neben die Decke, die aus einem der Gästezimmer stammte. In diesem Haus gab es nichts Altes oder Abgenutztes, deshalb hatte sie einfach eine Überdecke genommen, die ihr nie besonders gefallen hatte. Die Zimmer waren voll mit solchen Dingen, von denen sie sich leichten Herzens trennen würde. Sie wollte ihre Wohnung so einrichten, dass es ihren Geschmack und ihre Persönlichkeit widerspiegelte, und nicht mehr in einem Haus leben, in dem alles nach den Vorstellungen irgendeines Innenarchitekten ausgesucht worden war. Sie wollte ein Heim, das diesen Namen wirklich verdiente.
Aber im Augenblick hatte sie nicht die Zeit, sich damit zu beschäftigen, dachte sie mit einem Blick auf die Uhr. Morgen war es immer noch früh genug, um damit anzufangen, die Dinge auszusortieren, die sie nicht behalten wollte. Und dann konnte sie auch gleich einen Makler anrufen. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief sie hinauf in den ersten Stock.
In ihrem Schlafzimmer schlüpfte sie aus ihren Sachen und stellte sich kurz unter die Dusche. Dann föhnte sie sich die Haare, frischte ihr Make-up auf und machte sich in ihrem riesigen Kleiderschrank auf die Suche nach etwas Passendem zum Anziehen. Zumindest was ihre Garderobe betraf, hatte sie bereits angefangen, etwas zu ändern. Nach der Scheidung von Wesley hatte sie fast alle
Weitere Kostenlose Bücher